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Der Mann auf dem blauen Fahrrad

Der Mann auf dem blauen Fahrrad

Titel: Der Mann auf dem blauen Fahrrad Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lars Gustafsson
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Handflächen steckte noch immer der eine oder andere Kieselsplitter, an einer Hand blutete er leicht, und das linke Handgelenk schmerzte höllisch. Sollte er um Hilfe bitten? Janne mochte es prinzipiell nicht, andere Menschen um Hilfe zu bitten. Er hatte das unangenehme Gefühl, wenn man das täte, würde man früher oder später selbst um Hilfe gebeten werden. In der einen oder anderen Angelegenheit. Was man dann nicht ablehnen konnte. Anstandshalber.
    Wie die Situation nun war, begnügte er sich damit, ziemlich knapp und eher schüchtern zu sagen: – Kann man möglicherweise ein Handtuch und etwas kaltes Wasser bekommen?
    Er sagte es nicht zu jemand Bestimmtem. Die breithüftige Köchin, oder was sie nun war, diese ältere, gebieterische Frau, die hier in der Küche das Regiment zu führen schien, erwiderte, es sei völlig in Ordnung, sich zu bedienen. Also tat Janne das. Er nahm einfach ein altes grobes Leinenhandtuch, ziemlich verschlissen, aber sauber, von seinem Haken. Wasser gab es ja am Hahn. Er hatte auch nichts anderes erwartet.
    – Sie haben ja ziemlich viele Hunde hier auf dem Hof?
    Er musste es zweimal sagen, ehe jemand sich auch nur die Mühe machte, in seine Richtung zu schauen.
    – Sie meinen wohl die von den Lindéns? Wir haben keine Hunde. Hat es hier schon lange nicht mehr gegeben. Seit der Forstmeister hier wohnte, nicht mehr. Und das ist jetzt lange her.
    – Tatsächlich?
    – Mindestens zwanzig Jahre.
    – Und wer ist dieser Lindén?
    Fragte Janne in einem schnell angenommenen herrischen Ton. Wäre es nicht an der Zeit, sich einen solchen Mistkerl vorzuknöpfen, der eine ganze Meute von Hunden frei auf einem öffentlichen oder jedenfalls ziemlich öffentlichen Weg herumlaufen ließ? Könnte man ihn nicht irgendeiner Behörde melden?
    – Lindén ist der Förster.
    Es war das Mädchen zu seiner Linken, das ihm dies fast flüsternd mitteilte. Er hatte den Eindruck, es gäbe eine Art seltsames Verbot, in dieser Küche laut zu sprechen. Mit Töpfen und Deckeln zu lärmen war offenbar erlaubt. Aber nicht zu sprechen. Wollte man sprechen, musste das wohl flüsternd geschehen. Aber klappern, das durfte man. Es erschien ihm nicht besonders konsequent.
    Nun hatte Janne aber auch keine Ahnung, an wen er sich wenden sollte – falls es sich als angemessen erweisen sollte zu sprechen. Oder was er überhaupt zu sagen hatte. Das Haushaltsgerät Assistent in all seiner metallisch glänzenden Vortrefflichkeit zu demonstrieren erschien ihm nicht ganz realistisch, mit dem bald dumpf pochenden, bald scharf stechenden Schmerz, der sich offenbar gerade dauerhaft in seinem linken Handgelenk niederließ.
    Vielleicht sollte er noch eine Frage stellen? Aber wonach fragen? Nach den Hunden? Der Schmerz ließ nicht nach. Sollte er um ein Glas Wasser bitten? Oder um Hilfe? Welche Art von Hilfe? Vielleicht Hilfe, um hier wegzukommen?
    Es köchelte in den Töpfen. Die Mädchen schälten. Der Schalenhaufen und der Berg frisch geputzter Zimtbirnen wuchsen in der Mitte des Tisches. Janne blieb neben dem großen, groben Tisch mitten im Raum stehen, ratlos wie irgendein Zuschauer ohne Aufgabe. Die Mädchen schälten. Ihre Zimtbirnen. Die Köchin schwieg.
    Außerdem hing der Duft von Pilzen in der Luft, von einem Pilzgericht: In ein paar flachen Kupfertöpfen zischten Röhrlinge, die offenbar in ihrem eigenen Saft schmoren sollten und in dem ganzen dunstigen Raum eine Stimmung wie in einem tiefen dunklen Fichtenwald verbreiteten. Janne hatte schon seit jeher ein bisschen Angst vor Pilzen. Nicht davor, von ihnen vergiftet zu werden. Etwas, was leicht geschehen konnte. Mindestens einem seiner Cousins war es in den schaurigen Kriegszeiten, als alle Menschen als Ersatz für praktisch alles Pilze essen mussten, schlecht ergangen. Der leckere schneeweiße Champignon und der unbarmherzige weiße Knollenblätterpilz hatten seiner Meinung nach allzu viel gemeinsam.
    Hatten nicht eigentlich alle Pilze zu viel Gemeinsamkeiten? War es nicht ziemlich schauerlich, dass diese leckeren Beilagen zu Rehbraten und anderem so nah verwandt waren mit diesen düsteren Tentakeln, die in feuchten Kellern von den Balken hängend alte Herrenhäuser und andere Holzgebäude zu Fall brachten?
    Hatten Pilze nicht immer, wie wohlwollend sie auch scheinen mochten, etwas Feindliches an sich? Waren sie nicht eine Art ältere und vielleicht auch klügere Gattung als das Tierreich? Langsamer und klug genug, um nicht zu hetzen, ruhig den Moment abzuwarten, bis es

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