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Der Mann auf dem blauen Fahrrad

Der Mann auf dem blauen Fahrrad

Titel: Der Mann auf dem blauen Fahrrad Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lars Gustafsson
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an der Zeit wäre, einen Planeten zu übernehmen, den die Ableger des ungeduldigen Tierreichs bald für sie selbst unbewohnbar gemacht hatten.
    Janne kamen manchmal solche Gedanken. Ganz von selbst und ohne dass jemand sie ihm eingeredet hätte. Vielleicht waren sie ganz einfach eine Verteidigung gegen etwas anderes.
    Nein, der Pilzgeruch in dieser Küche, kombiniert mit so vielen anderen Düften, machte ihn ein wenig schwindlig. Am liebsten hätte er sich wieder hinaus in den Herbststurm gestürzt. Hätte sein Fahrrad gesucht – er hoffte, das Vorderrad war nicht verbogen, etwas, das bei solchen Stürzen leicht passieren konnte – und versucht, von den feuchten und kiesbestreuten Wegen zu den asphaltierten Straßen zu gelangen. Die ihn nach Kolbäck führen sollten. Und zu dem Bahnhof, der sich mit jedem Ticken der Uhr weiter zu entfernen schien.
    Aber etwas hielt ihn hier drinnen zurück. Vielleicht war es die Ahnung, dass da draußen noch größere Gefahren lauerten. Wo befanden sich jetzt die Hunde? Oder war es vielleicht die Angst davor, einen komischen Eindruck auf die Anwesenden zu machen? Als hätte er das nicht schon getan. Was? Einen komischen Eindruck. Dass er Vertreter für Electrolux und hierhergekommen war, um dessen bahnbrechendes universelles Küchengerät zu demonstrieren, hatte er tatsächlich noch immer nicht zu erklären vermocht. Ob er sich ein Messer greifen und beim Birnenschälen mithelfen sollte? Aber wozu? Er nahm seinen Mut zusammen, den rasch schwindenden Mut, der ihm noch geblieben war:
    – Entschuldigung, aber ich frage mich also …
    Aus allen Richtungen, oder scheinbar aus allen Richtungen, wandten sich ihm Frauengesichter zu, den Finger vor dem Mund.
    – Hier soll es still sein.
    Nun konnte man sich wirklich fragen, was Stille bedeutete, in einer Küche, die förmlich bis zur Decke erfüllt war mit dem Zischen von Pfannen, dem Klappern von Topfdeckeln, dem Hacken von Messern auf Schneidebrettern und dem Quirlen von Schneebesen in großen Töpfen mit rasch aufsteigendem rotem Schaum. Waren diese Menschen sich eigentlich im klaren darüber, was sie taten? Oder waren sie ganz einfach taub? Vielleicht hörten sie nur ihn. Was hieß dann still?
    Das Dienstmädchen hielt erneut den Finger vor den Mund, vor einen ziemlich fülligen und schönen Mund, um zu zeigen, wie still man an diesem Ort sein musste.
    – Hier dürfen Sie nicht laut sprechen. Die Alte … liegt da oben im Sterben.
    Dies war nun eine Situation, die er noch nie zuvor erlebt hatte. Also beschloss Janne, darauf zu verzichten, sich über die Rücksichtslosigkeit zu äußern, eine ganze teuflische Meute von freilaufenden Hunden in Alleen loszulassen, die auch für ehrbare Kaufleute und Reisende befahrbar sein sollten, sowie über die allgemeine Scheußlichkeit des Lebens und seinen eigenen totalen Mangel an Zugehörigkeitsgefühl in dieser Lage. Er hatte wahrlich nicht darum gebeten, hier zu landen.
    Hatte er eigentlich darum gebeten, irgendwo zu landen? Überhaupt? In einer feindlichen Welt, in der man offenbar vergessen hatte, die Gebrauchsanweisung beizulegen?
    Jedoch, streng erzogen, wie er war, von seiner alleinstehenden christlichen Mutter Olivia da oben im Knektbacken in Hallsta, verzichtete er darauf, dem ersten Gedanken, der ihm nun kam, Ausdruck zu verleihen: Das schert mich doch einen Dreck, und wenn eine ganze Kompanie von alten Frauen hier im Haus im Sterben liegt.
    Stattdessen begnügte er sich mit einem deutlich anämischeren: – Ich bitte um Entschuldigung. Ich wusste ja nicht, dass es so schlimm steht.
    Und mit einem kleinen Zusatz:
    – Es tut mir sehr leid, das zu hören.
    Falscher Tag! Also: komplett höllenmäßig falscher Tag! Es war offensichtlich, dass dies kaum der richtige Tag sein konnte, um Küchengeräte zu demonstrieren. War es überhaupt angemessen, an diesem Ort zu bleiben? Was machte er eigentlich hier? Und warum hatte er eine so verdammte Begabung, wohin auch immer er ging, am falschen Tag zu kommen?
    Schmerzen im Handgelenk hin oder her – es war wirklich höchste Zeit, sich zum Bahnhof von Kolbäck zu begeben und das Fahrrad in den Schienenbus zu laden. Wenn er sich dann beeilte, müsste es möglich sein, den Abendzug in Dingtuna zu erwischen. Aber das war natürlich ein Glücksspiel. Besonders wenn man berücksichtigte, wie stark der Wind da draußen war. Würde er Gegenwind haben oder möglicherweise einen starken und freundlichen Schubs in den Rücken bekommen, der das blaue Rad und

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