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Der Mann auf dem Einhorn

Der Mann auf dem Einhorn

Titel: Der Mann auf dem Einhorn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Kneifel
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zog er die Leiter hoch und warf sie auf eines der Gerüste.
    Er kletterte weiter hinauf und erreichte das erste, noch unfertige Bildnis. Tief holte er Luft und hielt das Schwert in der Rechten fest.
    Der Hochnebel war aufgerissen, Sterne funkelten, und der Halbmond ließ den Schnee aufleuchten.
    Es war hell genug, um die Sprossen der Leitern und die Geländer der Gerüste zu erkennen. Mythor hob das Schwert, das schwach glühte und aufzustöhnen schien, dann schlug er zu.
    Die Waffe sprengte mit dem ersten Schlag die halbe Nase weg. Der zweite Hieb riss das Ohr ab und hinterließ eine tiefe Kerbe im Fels. Die Trümmer kippten nach vorn, zerschmetterten einen Teil des Gerüsts und polterten, sich überschlagend, in die Tiefe. Sie schlugen auf dem schrägen Wall der Felsabfälle auf, fielen zur Seite und blieben liegen, in mehrere Teile zerbrochen.
    Als das Klirren des unzerstörbaren Schwertes verklungen war, kam aus dem Stein ein knirschendes Ächzen.
    Mythor zuckte zusammen, aber das Geräusch wiederholte sich. Das Innere des ausgehöhlten, bearbeiteten Felsens gab einen Laut von sich, der wie das Knurren eines verwundeten Tieres klang, wie ein Stöhnen aus einer tiefen Spalte, ein grässlicher Laut, der von verborgenem Leben zeugte.
    »Schwarze Magie! Drudins Geist im Felsen!« knurrte Mythor, rannte auf dem Gerüst weiter und rammte das Schwert mit einem wuchtigen Schlag in die Augenhöhle des Kopfes. Ein dreieckiger Splitter, länger als eine Elle, brach krachend aus dem Fels und zersprengte die Nasenwurzel. Das linke Ohr der Fratze brach in vier Teile ab, als das Schwert mit dem Geräusch eines riesigen Hammers auf den fein bearbeiteten Stein schlug. Wieder ächzte und stöhnte der Fels auf.
    »Es sind die Linien und Wirbel der Beschwörung!« murmelte Mythor und hieb mit Alton nach den spöttisch verzogenen Lippen. Wieder brachen Felsstücke heraus, und wieder stöhnte der Fels auf.
    Die Abbilder des Bösen schienen zu leben. Die Geräusche, die aus dem Inneren der Gesichter ertönten, waren schauerlich und langgezogen. Mythor schüttelte sich und sprang weiter. Als er sich umdrehte, starrte er direkt in die schwarzen Öffnungen der Augen. Er führte den nächsten Schlag gegen das Gesicht, das ihn förmlich anzuspringen schien. Erneut brach eine Nase ab und riss einen Teil der Wange mit sich. Ein weiteres Stöhnen und Ächzen tief aus dem Gestein war die Antwort auf diesen zerstörenden Schlag.
    Die Höhlen der Augen schienen ihn verschlingen zu wollen. Auch die Münder der anderen Gesichter schienen sich zu bewegen. Mythor sagte sich, dass es die Schatten und das Mondlicht seien, die diesen Eindruck hervorriefen.
    Er zielte auf jeden Vorsprung, den er sah. In einem rasenden Wirbel von Schlägen zertrümmerte er den zweiten und dritten Kopf, Nasen und Ohren, hämmerte die felsigen Brauen in Trümmer und schnitt tiefe Rillen in Stirnen und Wangen.
    Bei jedem Schlag erbebte der Fels.
    Tiefe Seufzer stiegen aus den haarfeinen Spalten der Felswand auf. Das grässliche Ächzen kam aus der Wand und fuhr wie das Winseln des Windes in das Land hinaus. Das Stöhnen der Steine ließ Mythor schaudern. Der Griff des Schwertes schmiegte sich in seine Faust. Immer wieder schlug er zu, und hinter sich zerschmetterte er die Gerüste und Leitern. Die Trümmer hingen halb zwischen den Köpfen, halb vermischten sie sich mit den Brocken, die unablässig aus der Felsflanke polterten, während die Gesichter klagten und sich zu bewegen schienen.
    Mythor kletterte zwischen zwei Köpfen hinauf, warf eine Leiter hinter sich um und fuhr fort, die Gesichter zu zerstören.
    Der Lärm nahm eine eindringliche Lautstärke an. Das Schwert klirrte und klang auf wie eine Glocke. Das Krachen und Knirschen der Felsenstücke, das Splittern der Gerüste und das Poltern, mit dem die verschieden großen Brocken über den fast senkrechten Hang nach unten fielen, auf andere Gesichter prallten und auch dort Schäden hervorriefen, unterstrich das Wimmern und Stöhnen, das die Luft erfüllte. Mythor klammerte sich an ein Felsband, in Wirklichkeit eine Unterlippe, zog sich hoch und schwang sich auf eine hölzerne Kanzel. Wieder zischte Alton wehklagend nach rechts und zerbrach eine hakenförmige Nase senkrecht in zwei Teile.
    Nach einem weiteren Wirbel von Schlägen, der mehrere Gesichter bis zur Unkenntlichkeit verstümmelte und einen Hagel großer, scharfkantiger Bruchstücke nach unten schickte, hielt Mythor schwer atmend und schweißüberströmt

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