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Der Mann aus dem Safe

Der Mann aus dem Safe

Titel: Der Mann aus dem Safe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Steve Hamilton
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schließlich seitlich gegen eine Kommode kippt, wie ein Betrunkener, der sich an einen Laternenpfahl lehnt, und dann zusammenbricht, die Beine knicken ein, und er fällt mit dem Oberkörper voran schwer nach hinten, so wie kein lebendes Wesen je fallen würde.
    Der Mann mit dem Gewehr stand da und sah zu. Als es vorbei war, schien er mich endlich zu bemerken. Ich hockte zusammengekauert an der Wand. Er sah mich eine Weile an, regungslos.
    »Du bist ja noch ein gottverdammter Junge«, sagte er.
    Ich wusste nicht, ob das hieß, dass ich davonkommen würde. Wie um meine Frage zu beantworten, knickte er seine Flinte und kramte mit der linken Hand in seiner Hosentasche. Ich stieß mich von der Wand ab und stürmte mit aller Wucht, die ich aufbringen konnte, auf ihn zu.
    Er wollte mich mit einem Schwung des Gewehrschafts abwehren, aber weil die Waffe über dem Arm geknickt war, konnte er nicht richtig ausholen. In letzter Sekunde duckte ich mich und traf ihn unten gegen beide Knie. Ich versuchte, mich abzurollen, über ihn hinweg, auch dann noch, als er mich packte und mich zwischen seinen Beinen festklemmen wollte.
    Ich trat nach ihm und konnte mich schließlich befreien. Im Nu war ich auf den Füßen und rannte durch den Flur, stellte mir dabei vor, wie er nach seinen Patronen griff und nachlud. Die Treppe hinunter, beinahe auf jeder Stufe stürzend. Eine riesige Blutlache unten, die zerfetzte Leiche des Ochsen mittendrin. Dann wieder ein Wahnsinnsknall, der durch den Kronleuchter schnitt und Glas auf mich regnen ließ.
    Ich war schon durch die offene Haustür und rannte hinaus in die kalte Luft. In dem Moment traf mich etwas von außerhalb meines Gesichtsfelds. Der Arm des anderen Mannes mit grauer Jacke, der gegen meinen Hals schlug wie ein Ast von den Bäumen, die ich in der Ferne sah.
    Jetzt lag ich auf dem Boden. Sah hinauf in den Himmel, der sich gegen den Uhrzeigersinn zu drehen schien. Das erinnerte mich an das andere Mal, als ich gefangen genommen worden war. Nur hatte ich damals keinen Anlass gehabt, um mein Leben zu fürchten. Ich hatte keinen Anlass gehabt zu überlegen, ob man mich an eine Wand stellen und mit einer Flinte in Stücke schießen würde.
    Dann wurde ich herumgedreht und bekam mit groben Griffen Handschellen angelegt.
    »Jetzt haben wir dich«, sagte eine Stimme. »Du entkommst uns nicht mehr.«

[home]
    Kapitel sieben
    Michigan
1996 bis 1999
    E in paar Blocks vom Schnapsladen entfernt gab es einen Trödelladen. Sie hatten dort ein paar ausgediente Schlösser, und der alte Inhaber schien schon über mich Bescheid zu wissen, so dass ich ihm nicht erst mit dem ganzen Pantomimentheater kommen musste. Ich fand die Schlösser, manche mit Schlüsseln, andere ohne, und trug sie zur Theke, wo er sie sich ansah und mir für alle zusammen fünf Dollar berechnete.
    Ich nahm die Schlösser auseinander und setzte sie wieder zusammen. Mit meinen behelfsmäßigen Werkzeugen übte ich, sie zu öffnen. Ich hatte inzwischen vier Picks und zwei Spanner, allesamt nichts anderes als dünne Metallstreifen, die ich auf verschiedene Größen zurechtgefeilt und in Radiergummis gesteckt hatte, um einen Griff zu haben. Ich lernte durch Versuch und Irrtum und brauchte nicht lange, um herauszufinden, dass alles eine Frage des Gespürs ist. Wie viel Spannung man dem Schloss geben muss und wie man die Stifte nacheinander anhebt, bis der Kern sich frei dreht.
    Ich wurde verdammt gut darin. Ehrlich. Das war mein Sommer – ich und ein Haufen rostiges Altmetall.
    Dann kam der gefürchtete Tag. Der Mittwoch nach dem Labor Day. Man fing damals gerade erst damit an, die Milford Highschool zu renovieren und zu modernisieren, deshalb müssen Sie mir jetzt einfach vertrauen, dass ich das richtige Bild wiedergebe. Beginnen wir mit einem Hauptgebäude, an dem seit vierzig oder fünfzig Jahren nichts gemacht worden war. Schmutzig grauer Backstein, zu wenige und zu kleine Fenster. Umgeben wir das Ganze mit reichlich Beton und Zäunen und hohen Lichtmasten. Dann streuen wir noch kreuz und quer ein Dutzend Wohncontainer über das Gelände – das waren die Ausweichklassenzimmer, mit denen die Schülerschwemme aufgefangen werden sollte.
    Oder lassen Sie es mich anders beschreiben. Als ich in dieses Gefängnis kam, in dem ich jetzt immer noch sitze, als ich aus dem Gefangenentransporter stieg und mich in die Schlange vor dem Einweisungszentrum einreihte, war ich bestens darauf vorbereitet. Ich war darauf vorbereitet, weil ich schon einmal

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