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Der Mann aus dem Safe

Der Mann aus dem Safe

Titel: Der Mann aus dem Safe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Steve Hamilton
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jetzt ein normales Leben führen. Meine lieben Mitschüler behandelten mich allmählich auch ein bisschen anders. Also, nicht dass ich plötzlich beliebt war wie ein Sportass oder so. Leute, die gut in Kunst oder Musik waren, rangierten ganz unten auf der Hierarchieleiter, aber wenigstens
war
ich jetzt auf der Hierarchieleiter. Ich war nicht mehr bloß der Wunderjunge, der komische Stumme mit dem rätselhaften Trauma in seiner Vergangenheit; jetzt war ich der stille Typ, der gut zeichnen konnte.
    Wie gesagt, das war eine Ausnahmezeit in meinem Leben. Eigentlich möchte ich meine Geschichte gar nicht weitererzählen, sondern hier aufhören und Sie denken lassen: Ach, Mensch, aus dem Jungen ist doch noch was geworden. Er hatte einen schwierigen Start, aber er hat was aus seinem Leben gemacht. Ende gut, alles gut.
    Aber das wäre natürlich nicht die Wahrheit. Bei weitem nicht.
     
    Vorgespult zu meinem vorletzten Schuljahr. Griffins letztem Jahr. Ich war damals sechzehneinhalb. Meine Haare waren ein derart wirrer Mopp, dass ich sie schließlich irgendwie zurechtstutzen musste, um noch sehen zu können, wohin ich ging. Ich merkte, dass die Mädchen in der Schule mich nun mit anderen Augen betrachteten. Auf einmal galt ich als gar nicht so übel aussehender Typ, obwohl das damals eine echte Neuigkeit für mich gewesen wäre. Aber okay, wenn man den Faktor des Geheimnisvollen hinzurechnet, verstehe ich schon, dass ich wohl zumindest mal einen Blick wert war. Ich dachte sogar an die Möglichkeit, ein Mädchen anzusprechen. Es gab nämlich so eine Neue in unserem Kurs. Nadine. Sie war blond und hübsch und angeblich auch im Tennisteam. Ganz anders als die anderen Mädchen im Kunstkurs. Sie lächelte mich schüchtern an, wenn ich ihr im Flur begegnete.
    »Sie steht auf dich, Mann«, flüsterte Griffin mir eines Tages zu. »Los, schlag ihr eine Verabredung vor. Ich meine, was soll’s, ich kann es auch für dich machen. Ich spiele den Boten.«
    Ich hatte jetzt ein Auto. Onkel Litos alten zweifarbigen Grand Marquis. Wir hätten ins Kino fahren können oder so was Ähnliches. Es war nur – ich weiß nicht – der Gedanke, vor dem Film zusammen in einem Lokal zu sitzen. Oder sie hinterher nach Hause zu fahren. Ich würde ihr natürlich zuhören. Ich würde mir alles anhören, was sie zu sagen hatte, aber dann? Sie konnte ja nicht ewig reden. Niemand kann das, nicht mal ein amerikanisches Highschool-Girl. Wenn das Schweigen einsetzte, was sollte ich dann tun? Ihr kleine Zettel schreiben?
    Vielleicht war ich noch nicht bereit für diesen Schritt. Trotzdem, ich schloss ihn nicht aus. Nadine würde mir nicht weglaufen. Mittlerweile grüßten mich sogar ein paar andere Leute, wenn ich in den Gängen an ihnen vorbeikam. Meine Bilder wurden jetzt in dem großen Schaukasten am Schuleingang ausgestellt. Ich arbeitete zu der Zeit immer noch viel mit Bleistift und Kohle. Auch von Griffin war ein großes Gemälde mit seinen exaltierten Farbklecksen dabei. Ich wusste nicht, was ich im nächsten Jahr, meinem Abschlussjahr, machen sollte, wenn Griffin längst auf der Kunsthochschule war, machte mir aber noch keine Sorgen deswegen.
    Irgendwie landeten wir in dem Halbjahr auch in einem Sportkurs. Dass ich von allen Orten auf der Welt ausgerechnet dort, in der Sporthalle, mein einschneidendes Erlebnis haben sollte … Gleich am ersten Tag, als wir die Vorhängeschlösser an unseren kleinen Spinden in der Umkleidekabine öffneten. Mir fiel etwas auf, nämlich dass die Wählscheibe zum Einstellen der Kombination an zwölf verschiedenen Stellen leicht zu haken schien, wenn ich das Schloss beim Drehen nach unten zog, und dass eine dieser Stellen zufällig mit der letzten Ziffer der Kombination übereinstimmte. War es nur Einbildung, oder fühlte sich diese Stelle tatsächlich ein bisschen anders an als die übrigen elf?
    Als ich an dem Abend nach Hause ging, drehte ich im Geiste immer noch an der Nummernscheibe dieses Vorhängeschlosses herum und dachte darüber nach, was in seinem Innern ablaufen mochte. Inzwischen war ich mit den Steckschlössern so weit gekommen, wie ich nur konnte, das heißt, ich war ziemlich sicher, dass ich fast alle aufbekam. Das hier aber war eine neue Herausforderung, die mich wieder daran erinnerte, was mich an Schlössern eigentlich so anzog. Wenn ich die Nummernscheibe zuerst in die eine Richtung, dann in die andere drehte, spürte ich, wie die verschiedenen Räder darunter sich mitbewegten. Das brachte mich zu der

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