Der Mann aus dem Safe
Schule«, sagte Trey. »Das ist unsere letzte Chance, diesem Arsch eins auszuwischen.«
Ich sah zum Haus der Marshs hinüber. Die hohen Fenster, der englische Rasen. Es wirkte wie ein Schloss auf mich. Ich konnte mir noch nicht einmal
vorstellen,
in so einem Haus zu wohnen.
Ich machte die Tür auf und stieg aus.
»Geil, Mann«, sagte Brian.
»Ich bleibe hier«, sagte Danny. »Ich komme nicht mit.«
»Wie du willst.« Brian knallte die Beifahrertür zu. »Wir brauchen dich nicht.«
So waren wir also zu viert. Brian, Trey, Griffin und ich. Zwei Sportskanonen und zwei Kunstfreaks. Die Bowlingkugel war jetzt kaum noch zu spüren. Ich machte jeden Schritt mit absoluter Klarheit. Wir hatten vor, illegal in ein fremdes Haus einzudringen. Das Zuhause von jemandem, den ich nicht einmal kannte.
Wir gingen ein kurzes Stück die Straße entlang und schlüpften dann hinter den Zaun um das Grundstück. Die ganze Umgebung war ziemlich hell erleuchtet. Straßenlampen alle fünfzig Meter oder so und dazu die vielen Lichter vom Haus gegenüber. Ich hatte noch nicht genug Erfahrung, um mich dadurch nicht exponiert zu fühlen. Ich wusste noch nicht, dass diese sogenannte Sicherheitsbeleuchtung, die uns abschrecken sollte, uns im Grunde zu Hilfe kam. Beleuchtet man die Vorderseite eines Hauses, verwandelt man nämlich alle nicht direkt angestrahlten Bereiche in einen perfekten Tarnumhang. Beleuchtet man dagegen die Rückseite, wo eventuelle Einbrecher sowieso nicht gesehen werden, macht man es ihnen nur umso leichter.
Die Hintertür hatte ein gutes Schloss, aber ich bekam es innerhalb von zwei Minuten auf. Meine drei Komplizen wippten auf ihren Füßen und blickten sich alle paar Sekunden um. Sie wussten nicht, dass sie nicht nervös zu sein brauchten. Ringsum hatte uns niemand hier im Blickfeld. Wir hätten ein Netz spannen und Volleyball spielen können.
Als die Tür offen war, gingen wir nacheinander hinein. Wir standen eine geschlagene Minute in der Küche und sahen uns um. Es war hell genug, dass man den gigantischen Edelstahlherd mit der restaurantmäßigen Dunstabzugshaube darüber erkennen konnte. Den doppeltürigen Kühlschrank. Die Arbeitsflächen aus Marmor, die aus sich selbst heraus zu leuchten schienen.
»Scheiße«, sagte Brian. »Wir machen das tatsächlich.«
»Auf geht’s«, sagte Trey, »suchen wir sein Zimmer.«
»Ich kann es nicht glauben«, sagte Brian. »Das ist echt ’ne knallharte Nummer hier.«
»Mach dich jetzt nicht nass, Mann. Kommst du oder nicht?«
Ich wusste, dass Trey es unter normalen Umständen niemals wagen würde, so mit ihm zu reden. Das war meine erste Lektion darüber, wie anders Menschen sich in solchen Situationen verhalten können. Einer, der sonst die große Klappe hat, kann plötzlich kalte Füße bekommen. Ein anderer, der nur so mitgefahren ist, ist plötzlich voll dabei. Aus welchem Grund auch immer, er hat Feuer gefangen. Vielleicht zu sehr. Während der Dritte im Bunde nicht mal aus dem Auto steigt.
Griffin? Ich konnte nicht einschätzen, was er dachte. Er stand einfach nur da und gab keinen Laut von sich.
Und ich? Ich fühlte gar nichts. Ich schwöre Ihnen, sobald wir dieses Haus betraten, fiel alles von mir ab. Dieses allgegenwärtige Sirren, dieses ständige Summen, das von diesem einen Moment in meiner Kindheit herrührte und das ich immer im Kopf hatte wie ein ewiges Rauschen meines inneren Radios … Sobald ich die Tür zu einem fremden Haus öffnete und eintrat, verschwand das Rauschen.
Dieses Gefühl sollte ich noch öfter haben oder vielmehr diesen
Mangel
an Gefühl. Das sollte ich gut kennenlernen. In jener Nacht aber stand ich nur da, in dieser Küche von reichen Leuten, während Trey Brian einen Schubs versetzte, damit er sich vorwärtsbewegte. Griffin hatte sich immer noch nicht gerührt.
»Ich denke, wir sollten hierbleiben«, sagte er schließlich zu mir. »Schmiere stehen. Was meinst du?«
Es war zu dunkel, um seinen Gesichtsausdruck zu sehen.
»Okay, vielleicht war es ein Fehler«, sagte er. »Tut mir leid. Wir hätten nicht mitkommen sollen. Ich dachte halt nur, dass es mal … ich weiß nicht, etwas
Wirkliches
wäre zur Abwechslung. Verstehst du, was ich meine? Ging es dir nicht genauso?«
Ich hatte keine Lust, dort herumzustehen und ihm zuzuhören. Ich wollte mehr von dem Haus sehen.
»Wo gehst du hin?«, fragte er.
Ohne zu antworten, ging ich hinüber ins Wohnzimmer. Dort gab es einen Kamin mit einem großen Kunstdruck darüber. Eine Frau in
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