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Der Mann Aus St. Petersburg: Roman

Der Mann Aus St. Petersburg: Roman

Titel: Der Mann Aus St. Petersburg: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ken Follett
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und ziemlich erschreckend, fand sie, aber sie hätte gern noch mehr über sie gewußt.
    Pritchard kam zurück. »Eine Platte mit Sandwiches, bitte«, sagte er zur Köchin. »Und, Charles, bringen Sie eine Flasche frisches Sodawasser in den Salon.« Er begann, Teller mit Servietten auf einem Tablett anzuordnen.
    »Nun kommen Sie schon«, sagte Charlotte. »Wer ist es?«
    »Ein Herr von Scotland Yard«, antwortete Pritchard.

    Basil Thomson war ein rundköpfiger Mann mit schütterem blondem Haar, einem dicken Schnurrbart und durchdringenden Augen. Waiden hatte von ihm gehört. Sein Vater war Erzbischof von York gewesen. Thomson hatte in Eton und Oxford studiert, in den Kolonien als Kommissar für die Eingeborenen und als Premierminister von Tonga gedient. Nach seiner Heimkehr hatte er zuerst eine Anwaltspraxis eröffnet, war dann in den Strafvollzugsdienst eingetreten, wurde zum Gouverneur des Dartmoor-Gefängnisses ernannt und hatte sich dort einen Ruf als Bezwinger von Meutereien erworben. Vom Strafvollzugsdienst hatte er sich schließlich zur Polizei versetzen lassen, wo er als Experte für das Verbrecherund Anarchistenmilieu im Londoner East End galt. Dank seiner Fachkenntnisse war er in die Spitzenstellung der Sonderabteilung der politischen Polizei gelangt.
    Waiden bat ihn, Platz zu nehmen, und erzählte noch einmal, was sich an diesem Abend ereignet hatte. Während er sprach, ließ er Alex nicht aus den Augen. Dieser bewahrte eine oberflächliche Ruhe, aber sein Gesicht war bleich, und er nippte ständig an einem Glas Cognac-Soda, während sich seine linke Hand in regelmäßigen Abständen um die Sessellehne krampfte.
    Thomson unterbrach Waiden nur einmal: »Ist Ihnen die Abwesenheit des Lakaien aufgefallen, als der Wagen Sie abholte?«
    »Jawohl«, erwiderte Waiden. »Ich habe den Kutscher gefragt, wo er sei, aber der Kutscher schien mich nicht zu hören. Und da am Palasttor ein solches Gedränge herrschte und meine Tochter mich zur Eile antrieb, beschloß ich, der Sache erst zu Hause weiter nachzugehen.«
    »Damit hat unser Schurke natürlich gerechnet. Er muß solide Nerven haben. Fahren Sie fort.«
    »Der Wagen hielt plötzlich im Park an, und der Mann riß die Tür auf.«
    »Wie hat er ausgesehen?«
    »Groß. Er hatte einen Schal oder eine Mütze über seinem Gesicht. Dunkles Haar, stechende Augen.«
    »Alle Verbrecher haben stechende Augen«, sagte Thomson. »Hat der Kutscher ihn deutlich gesehen, als er von ihm überfallen wurde?«
    »Nein. Zu dieser Zeit trug der Mann einen Hut und es war dunkel.«
    »Hm. Und dann?«
    Waiden holte tief Atem. Zur Zeit des Geschehens war er eher wütend als verängstigt gewesen, aber jetzt, als er daran zurückdachte, wurde er sich mit Schrecken gewahr, in welcher Gefahr Alex, Lydia und Charlotte geschwebt hauen. Er sagte: »Lady Waiden schrie, und das schien den Burschen aus der Fassung zu bringen. Vielleicht hatte er nicht erwartet, daß Frauen im Wagen saßen. Jedenfalls zögerte er. Und dann habe ich ihm mit meinem Schwert einen Stoß versetzt, worauf er die Waffe fallen ließ.«
    »Haben Sie ihm großen Schaden zugefügt?«
    »Das bezweifle ich. Ich hatte nicht genug Platz, um zu einem richtigen Schlag auszuholen, und außerdem ist das Schwert nicht besonders scharf. Allerdings blutete er. Ich wollte, ich hätte ihm seinen verdammten Kopf abgehauen.«
    Der Butler trat ein, und das Gespräch verstummte. Waiden wurde klar, daß er ziemlich laut gesprochen hatte. Er versuchte, sich zu beruhigen. Pritchard servierte Sandwiches und Cognac mit Soda. Waiden sagte zu ihm: »Bleiben Sie bitte noch auf, Pritchard, aber Sie können die anderen zu Bett schicken.«
    »Wie Eure Lordschaft wünschen.«
    Als er gegangen war, fuhr Waiden fort: »Möglicherweise war es nur ein Raubüberfall. Ich habe die Dienerschaft in diesem Glauben gelassen, und auch Lady Waiden und Charlotte. Allerdings hätte ein Räuber es meiner Meinung nach nicht nötig, einen so raffinierten Plan auszuhecken. Ich bin überzeugt, daß es ein Attentat auf Alex war.«
    Thomson blickte Alex an. »Dem muß ich leider zustimmen. Haben Sie eine Ahnung, woher er wußte, wie er Sie finden konnte?«
    Alex schlug die Beine übereinander. »Ich habe mein Kommen und Gehen nicht geheimgehalten.«
    »Das wird sich jetzt ändern müssen. Sagen Sie mir, Sir, ist Ihr Leben schon einmal bedroht worden?«
    »Ich lebe ständig unter Bedrohungen«, antwortete Alex resigniert. »Aber ein Attentat ist bisher noch nicht auf mich

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