Der Mann, der den Flug der Kugel kreuzte
bei sich gehabt hatte, der den Griechenjungen rechtzeitig gesehen und Bötsch aus der Schusslinie befördert habe. Der Mann sei dabei an der Hand verletzt worden und liege jetzt im Hauptstätter Hospital.
»Die haben mich auf Sie angesetzt«, jammerte Keßler und zeigte auf mich, als repräsentierte ich die chemische Zusammensetzung allen Übels. »Leider. Allerdings zu Recht. Ich kann nicht glauben, dass Sie den Bötsch nicht kannten.«
»Ich auch nicht«, sagte Heinz, der mich nicht zu mögen schien und nun von Keßler wissen wollte, wer dieser Bötsch eigentlich sei und warum man so begierig war, ihn tot zu sehen.
»Keine Ahnung. Und ich bin froh, dass ich über das alles wenig weiß. Nur so viel: Der Bötsch ist Professor, ein Labormensch. Etwas mit Parasiten. Da stelle ich mir die Frage, was kann so einer überhaupt anstellen?«
»Die Parasitologie ist ein weites Feld«, meinte Krankenschwester K. weise.
Auf jeden Fall hatten jene Agenturbetreiber, die in Keßlers Beschreibung völlig diffus blieben, einigen Aufwand getrieben. Der Mord an Bötsch sollte wie ein Zufall aussehen. Die verirrte Kugel eines verirrten Jungen, der bloß mit seiner Waffe herumgespielt hatte. Bötsch an seinem Arbeitsplatz oder in seiner Wohnung umzubringen, hätte zu einer eingehenden Untersuchung geführt. Dort wäre er nicht als das Opfer unglücklicher Umstände durchgegangen. Jene unglücklichen Umstände, die dann einen anderen trafen.
Heinz Neuper reichte es. Er wollte die Polizei rufen, auch wenn seine eigene Anwesenheit erklärungsbedürftig war, denn krank war er nicht und hatte angezogen auf dem Bett gelegen. Ich ging davon aus, dass er zunächst seine im Nachtdienst arbeitende Frau besucht hatte. Dann war er wohl müde geworden und hatte sich nach einem leeren Zimmer umgesehen, um ein wenig auszuruhen.
Der schmächtige Boxer packte Keßler, zog ihn hoch.
»Das wird keinem helfen«, sagte Keßler.
»Mir schon.« Heinz war überzeugt. »Gehen wir.«
Zu viert traten wir auf den Gang. Doch bevor wir das Telefon erreichen konnten, stiegen zwei Männer aus dem Lift, und wir waren zu sechst. Die beiden sahen eine Spur zu schick aus. So sauber, so abgeschleckt, wie sie da standen und uns beäugten, konnte es sich nur um die Vertreter eines Medizingeräteherstellers handeln. Oder um Schlimmeres. Was leider der Fall war. Keßler schien die beiden zu kennen. Die Ouvertüre seines Lächelns verbog sich zu einer Erkenntnis, zu der kein Lächeln mehr passte.
»Keßler, Keßler – miese Arbeit«, sagte der mit der modischen Brille, zog eine Waffe und verpasste dem Polizisten eine Kugel. Er tat es auf eine Art und Weise, als hätte er mit seiner Fernbedienung ein Gerät ausgeschaltet. So empfand er es wohl auch. Sein Kompagnon schien sich auf der gleichen Gefühlsebene zu befinden, hielt seine Fernbedienung nur etwas höher und knipste Frau K. ohne Umstände aus, indem er ihr eine beinahe lautlos austretende Kugel zwischen die Augen jagte.
»Natalja!«, stieß Heinz hervor, als seine Frau nach hinten kippte.
»Nicht weinen, Opa«, bemerkte der Brillenträger höhnisch und wollte auch den Opa heimschicken, während die Fernbedienung seines Kameraden auf mich zielte.
Man kann keineswegs sagen, dass diese zwei Mordbuben zögerten, aber im Vergleich zur Schnelligkeit der Bewegung, die der ältliche Heinz Neuper nun vollzog, waren sie zu langsam. Neuper war geschockt, konterte jedoch automatisch, wie man eben einen Schlag mit einem Schlag beantwortet. In der Manier eines Bodenturners wirbelte er auf die beiden Männer zu, um mit ausgebreiteten Armen zwischen ihnen aufzutauchen. Zwar kamen sie noch zum Abdrücken, doch die Läufe ihrer Waffen waren bereits aus der Richtung. Niemand wurde mehr ausgeknipst. Die Kugeln schlugen ins Mauerwerk.
Mit einem Haken nach rechts und einem nach links traf Neuper die beiden Kerle in die Mägen. Die Burschen klappten zusammen. Dann packte er den einen, der Natalja erschossen hatte, zog ihn hoch, wuchtete ihn gegen die Wand und drückte ihm mit einem Schlag das Brillenglas ins Auge. Mit der linken Hand fixierte er den Schädel, indem er das Kinn nach oben drückte. Dann bearbeitete er mit gleichmäßigen rechten Punches die Gesichtsmitte. Die ohnmächtige Wut des Heinz Neuper löste sich in einer Folge regelmäßiger wuchtiger Schläge, unter denen das Gesicht des Mannes seine Form verlor, wobei es nicht auseinanderfloss, sondern alle Teile zusammenrückten, sich wie in einer Grube drängten, wo
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