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Der Mann, der den Flug der Kugel kreuzte

Der Mann, der den Flug der Kugel kreuzte

Titel: Der Mann, der den Flug der Kugel kreuzte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinrich Steinfest
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nicht neugierig. Nicht, was mein Opfer betrifft. Aber es interessiert mich, wer mich bezahlt. Das ist wie Telefonieren. Man will ja wissen, wer am anderen Ende der Leitung sitzt.
    Durch meinen Feldstecher sah ich, wie Köpple auf jenen Mann zuging, der gerade heftig gestikulierte und offensichtlich mit irgendetwas nicht einverstanden war. Er schien völlig perplex, schüttelte unentwegt seinen hochroten Schädel. Köpple fasste ihn am Arm; er schien es mit viel Gefühl zu tun, doch der solcherart Gepackte verzog das Gesicht wie unter Schmerzen. Köpple sprach nur wenige Worte. Dafür war er berühmt, für seine kurzen Erklärungen, die gerade deshalb keine Fragen offenließen. Er erläuterte so gut wie nie seine Entscheidungen, nicht aus Faulheit oder Angst, sondern weil er keinen Sinn darin sah, das Notwendige zu begründen. Und er empfand einen großen Anspruch auf alles Notwendige.
    Der Alte, der Chef, der Bonze, wie sie ihn auch immer nannten, setzte sich wieder. Es gab nichts mehr zu sagen. Die anderen drei verabschiedeten sich. Was Bötsch zu realisieren schien, denn er entfernte sich von der Tür. Keineswegs in Panik. Sosehr ihn das Gehörte erschreckt haben mochte, bewegte er sich doch mit der gewohnten Ruhe aus dem Zimmer. Dann glitt er ungesehen an dem Security-Pärchen und ihrem dösenden Hündchen vorbei und verschwand aus meinem Blickfeld. Sekunden später folgten die drei Herren. Plötzlich erinnerte der Köter sich seiner Pflicht. Das Gekläffe war selbst noch hier draußen zu hören. Das Mädchen schlug ihm mit der Leine über die Schnauze. Nettes Frauchen. Dummes Frauchen.
    Es war eine andere Dame, die mir öffnete, als ich erneut die Klingel betätigte. Ihr brauchte ich meine Einladung nicht zu zeigen.
    »Sie sind sicher Herr Jooß«, sagte sie begeistert, »das sieht man. So schön braun gebrannt. Südafrika muss herrlich sein. Herr Borowski hat mir von Ihrem reizenden Bibelprojekt erzählt. Ich glaube fest daran, dass Afrika die Zukunft gehört. Sie Armer, Sie müssen schrecklich unter unserem Klima leiden. Bei der Kälte würde ich keinen Hund hinausjagen.«
    Ich lächelte verbissen. Von Hunden hatte ich heute endgültig genug. Immerhin kam die Frau nicht auf die Idee, mich zu fragen, was ich armer Mensch eigentlich draußen verloren hatte. Kaum war mein Mantel abgelegt, nahm sie meinen Arm und führte mich zurück in die Gesellschaft, geradewegs auf Borowski zu, der mich die nächste halbe Stunde nicht mehr losließ, als sei ich eine Trophäe. Er stellte mich einer Menge von Leuten vor, die er für wichtig hielt, und erzählte von der Afrikanischen Bibel wie von einem Wunder, während ich stumm daneben stand, sodass einer der Herren annahm, ich verstünde kein Deutsch, und mich auf Englisch ansprach. Bevor ich etwas sagen konnte, klärte Borowski den Irrtum auf. Es wurde gelacht, als wäre es der Witz des Jahres. Kein Wort über Apartheid, über Mandela, über Goldförderung. Es war schon eine sehr noble Gesellschaft.
    Geislhöringer befreite mich aus der Flut allgemeinen Interesses an meiner Person, drückte mir ein Glas jenes dünnblütigen Weines in die Hand und führte mich auf eine kleine verglaste Plattform. Wir waren allein und schauten hinunter auf Stuttgart. Ein versinkendes Kraftwerk.
    »Sie haben sie gesehen?«, fragte Geislhöringer.
    »Frau Holdenried?«
    »Ich dachte, Namen sind Ihnen gleichgültig.«
    »Herr Borowski hat mich aufgeklärt. Der Mann redet gern und viel.«
    »Eine Plage, fürwahr. Aber ich hoffe, dass Sie auch weiterhin Ihrer vernünftigen Einstellung treu bleiben und sich nur um das unbedingt Nötige kümmern. Ich habe Sie zu unserer kleinen Geselligkeit eingeladen, damit Sie sich die Holdenried im Original anschauen können. Schließlich ist es ja auch das Original, das Sie … nun, das brauche ich Ihnen ja nicht zu sagen.«
    Ich erklärte Geislhöringer, dass ich mich lieber aus Geschichten heraushielt, soweit sie mich nicht betrafen. Aber es habe sich nun ein Problem ergeben, über das man reden müsse.
    »Haben Sie etwa Skrupel?«, fragte Geislhöringer und schmunzelte.
    »Nein. So einfach ist es leider nicht. Oben sitzt Ihr Boss, der Köpple, nicht wahr?«
    Mit einem Mal besaß der stämmige Bayer etwas Flinkes, Geducktes, Flatteriges, sah sich um, flüsterte mir zu, dass mich das in Teufels Namen nichts angehe, wer sein Boss sei und wo der sitze.
    »Im Prinzip haben Sie recht«, sagte ich, »und ich wäre auch sofort still, wenn ich sicher sein könnte, dass

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