Der Mann, der den Flug der Kugel kreuzte
Österreicher Szirba und zeigte sich verwundert, dass ein Mann wie Köpple sich einer Biografie wegen so gänzlich seinem Sekretär offenbarte.
»Er vertraut mir.«
»Mag sein«, warf ich ein. »Aber ich kann mir kein Vertrauen ohne Sicherheiten vorstellen. Doch nicht bei Köpple.«
»Ich habe ihm viel zu verdanken. Ich hatte früher mal ein paar Schwierigkeiten. Köpple hat das erledigt.«
»Freundlich von ihm.«
»Mitunter ist er auch recht deutlich geworden, was passieren würde, sollte ich über seine Lebensgeschichte plaudern. Sehr deutlich.«
»Sie haben es dennoch gewagt.«
»Annegrete hat mich überzeugt«, erklärte Geislhöringer.
»Na ja«, sagte ich, ersparte mir aber weitere Kommentare zur Natur der Treue. Wollte stattdessen endlich wissen, wo denn nun die entscheidende Schwachstelle in Köpples Biografie lag.
»Die Folgen einer guten Tat «, sagte Geislhöringer. »Köpple hat früher mit Immobilien gehandelt. Ein reines Hobby. Am Profit war er kaum interessiert. Für ihn war das einfach ein großer Spaß, so mit Häusern und Grundstücken zu spielen. Natürlich ist sein Name dabei nicht aufgetaucht. Er hat einen Strohmann benutzt, einen gewissen Werner Klaffke. Eine phantastisch harmlose Gestalt. Gott weiß, wie der Makler geworden ist.«
Klaffke war offenbar ein Mensch gewesen, den alles und jedes rührte: aus den Nestern gefallene Jungvögel, das Klavierspiel zu vier Händen, leider auch alte Damen, die ihre Miete schuldig blieben. Der Mann übertrieb die Gutmütigkeit ganz entschieden, geriet in finanzielle Schwierigkeiten und solcherart in die Fänge Köpples, unter dessen Führung er seinen pfadfinderischen Ehrgeiz stark einschränken musste. Er wurde erfolgreich. Und er wurde unglücklich. Für den Sentimentalisten Klaffke war das Ganze wie ein Pakt mit dem Teufel.
Nun ergab es sich, dass einige der Häuser, die Klaffke für Köpple erstanden hatte, nicht bewohnt waren. Weniger aus Gründen der Spekulation. Max Köpple konnte sich einfach nicht entscheiden, welchen Zwecken er die Gebäude zuführen wollte. Ein wenig waren sie für ihn wie die Häuschen in einem Monopoly-Spiel, so als warte er, dass jemand auf einem seiner Grundstücke zu stehen kam. Was auch passierte, und zwar in Form von Hausbesetzern, die nun aber – so schien es – Monopoly nicht richtig verstanden hatten. Sie zahlten nicht, sie rückten nicht einmal vor. Weshalb Köpple von Klaffke verlangte, alles in die Wege zu leiten, um das Gesindel aus dem Haus zu bekommen. Doch Klaffke sagte Nein , als wäre dieses Wort seine eigene, großartige Erfindung, mit der er sein Leben würde revolutionieren können. Irgendetwas an diesem Nein beeindruckte Köpple, den selten etwas beeindruckte. Vielleicht hatte er eine Erscheinung, wer kann das sagen. Vielleicht setzte für einen Moment sein Herz aus. Oder sein Hirn. Vielleicht hatte er auch einmal Lust, die Götter herauszufordern. In jedem Fall akzeptierte er das Nein und meinte, er habe nichts dagegen, wenn ein paar ungewaschene, wirre Kinder sich die Staubmilben holen würden. Auf das eine Gebäude komme es nicht an. Er war wie der erfolgreiche Monopoly-Spieler, der auch einmal die Lust verspürte, großzügig zu sein.
»Dumm nur«, erzählte Geislhöringer weiter, »dass sich in diesem Haus auch ein paar Terroristen eingenistet haben. Für die war das gar kein schlechter Ort, denn wer kümmert sich schon um Hausbesetzer. Die Polizei hat Wichtigeres zu tun, als kleine Giftpilze zu beseitigen. Und dann passierte es eben. Erinnern Sie sich an das Breu-Attentat?«
Während Szirba nickte, machte ich ein fragendes Gesicht, wenngleich mir der Name bekannt vorkam. Geislhöringer half mir auf die Sprünge. Freiherr von Breu war einer der großen deutschen Wirtschaftskapitäne gewesen. Auf dem Höhepunkt seiner Macht geriet er in die Bombenfalle einer ominösen Gruppe, deren Bekennerschreiben beinahe zur Gänze aus chemischen und mathematischen Formeln bestand. Für sich selbst nahm das Terrorkommando den Doppelpfeil in Anspruch, das Symbol für chemisches Gleichgewicht. Mehr trugen sie zur Verständlichkeit ihres Anschlags nicht bei. Es gab Leute, die behaupteten, es habe sich bei den Attentätern eher um Technikfreaks als um politische Extremisten gehandelt. In jedem Fall waren Breu und sein Chauffeur mittels eines raffinierten Systems aus Lichtschranken und Sprengkörpern in die Luft gejagt worden. Hinweise auf die Bombenleger waren rar. Doch die Polizei gab sich Mühe und
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