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Der Mann, der den Regen träumt

Der Mann, der den Regen träumt

Titel: Der Mann, der den Regen träumt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Al Shaw
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ruhig, wie sie dort kniete, als wäre Sterben nichts Ungewöhnlicheres als ein Bad in der warmen Nachmittagssonne.
    »Sie Idiot!«, schrie Daniel und riss Sidney das Gewehr aus den Händen. Sidney leistete keinen Widerstand. Daniel unterdrückte mühevoll seine Wut, um zielen zu können, und schoss der Ziege eine Kugel zwischen die Augen. Mole jaulte gequält auf, als der Knall die Luft zerriss. Der gehörnte Kopf der Ziege sackte auf den Bürgersteig.
    Der Schuss schien Sidney aus seiner Trance zu reißen und er starrte auf sein Gewehr in Daniels Händen, als wisse er nicht, wie es dort hingelangt war. »Mr Fossiter, ich …«
    »Was haben Sie sich dabei gedacht?«
    »Ich habe auf eine Ziege geschossen. Sie hat die Bäume angefressen.«
    »Aber Sie haben sie nicht getötet.«
    »Nein, ich –«
    »Ich weiß, dass Sie mit einem Gewehr umgehen können, Mr Moses, und darum weiß ich auch, dass Sie nicht auf die Ziege geschossen haben, um sie zu töten!«
    Sidney schob seinen Regenhut hoch, um sich ein Schweißrinnsal von der Stirn zu wischen. »Natürlich wollte ich sie töten!« Er schnaubte. »Aber dazu hätte ich verdammt noch mal nicht gezwungen sein sollen! Diese Stadt beschäftigt einen Jäger, damit er die Straßen frei von solchem Ungeziefer hält. Haben Sie ihn vielleicht gesehen, Mr Fossiter? Ein großer Mann mit einem Bart – kaum zu übersehen. Den hätten wir hier heute gebrauchen können, als dieses Biest sich durch die Bäume auf der Foremans Avenue gefressen hat!«
    »Ich war im Club. Sie wissen genau, dass ich oft dort bin. Sie hätten wenigstens versuchen können, mich zu finden.«
    Sidney warf einen weiteren verstohlenen Blick auf die Ziege und in seinem Gesicht lag noch immer dieselbe finstere Faszination. Er leckte sich über die Lippen. »Wir wissen nie, wo wir Sie finden können, Mr Fossiter, weil Sie uns nie sagen, wo Sie zu finden sind.«
    »Oh doch, das wissen Sie, Sidney, Sie alle wissen das. Sie wissen genau, dass ich die meiste Zeit auf der Jagd nach Ziegen bin.«
    »Im Club? Ich glaube nicht, dass Ihnen da viele Ziegen über den Weg laufen, bis auf die Köpfe von ein paar Exemplaren, die Ihre Großväter erlegt haben. Und wie ich sehe, haben Sie auch wieder Ihren furchterregenden Bluthund mitgebracht!«
    Wie aufs Stichwort nieste Mole und schüttelte sich dann.
    »Ich brauche keinen Hund, um Ziegen zu jagen.«
    »Na, ein Glück – mit dieser jämmerlichen Kreatur da würden Sie ja noch nicht mal eine Gans aufscheuchen«, rief Sidney und deutete fuchtelnd auf das Tier unter dem Baum.
    »Mr Moses. Was haben Sie denn jetzt vor mit Ihrer Beute? Wissen Sie, wie Sie das Tier häuten und das Fleisch verarbeiten müssen, oder wollen Sie es vielleicht einfach hier an der Foremans Avenue verrotten lassen?«
    Sidney zuckte mit den Schultern. »Ich habe genug Hemden, Mäntel und Pullover, Mr Fossiter. Mein Haus verfügt über eine Heizung und mein Eisschrank ist voller Hühnchen, Lammfleisch und Fisch vom Markt. Ich habe also weder Bedarf an Fell, Leder noch Ziegenfleisch. Außerdem besitze ich ein motorisiertes Fahrzeug und einen Anhänger, mit dem ich diesen Kadaver aus der Stadt schaffen und ihn irgendwo in der unendlichen Wildnis abladen kann, die unsere Stadt umgibt, wo sich die Krähen dann schon seiner annehmen werden.«
    Daniel wollte etwas erwidern, biss sich aber im letzten Moment auf die Zunge. Er wusste, dass er Sidney mit Worten nicht gewachsen war. Mole nieste abermals und ein Schauder durchlief ihren Körper. Daniel trat entschlossen an Sidney vorbei, griff die Ziege bei den Hörnern und begann, sie hinter sich herzuschleifen. »Machen Sie sich keine Umstände mit Ihrem Anhänger und Ihrem motorisierten Fahrzeug, Mr Moses. Ich werde sie zu Leder verarbeiten.«
    Er stapfte in Richtung seines Hofs davon und Mole schleppte sich mühsam hinter ihm her.
    »Und dann?«, rief Sidney ihm nach.
    »Dann wende ich mich wieder meinen Pflichten zu.«
    »Müssen wir denn Feinde sein, Mr Fossiter?«
    Daniel blieb stehen und wandte sich zu ihm um. »Mir ist nicht daran gelegen, irgendjemanden gegen mich aufzubringen. Sie dagegen scheinen sich genau das zum Ziel gesetzt zu haben.«
    Sidney breitete die Arme aus und machte ein verletztes Gesicht. »Sie haben mich vollkommen missverstanden.« Er steckte die Hände in die Taschen und schlenderte auf Daniel zu.
    »Sie wollen alles modernisieren«, sagte Daniel. »Sie reden ständig von Helikoptern und Satelliten … Satelliten

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