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Der Mann, der den Regen träumt

Der Mann, der den Regen träumt

Titel: Der Mann, der den Regen träumt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Al Shaw
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ich nicht. Wem hätte er denn sonst gehören sollen?«
    »Sich selbst! Er war Kumulonimbus. Elsa, dort oben in diesen Bergen kann das Wetter alle möglichen Gestalten annehmen, aber niemals die eines Menschen, oder zumindest habe ich das immer geglaubt. Ein Mensch wäre zu kompliziert. Aber in jener Nacht ist es Kumulonimbus gelungen! Er hat sich in ein winziges Baby verwandelt, auch wenn es ihn all seine Kraft gekostet hat.«
    »Warten Sie … Halt …«
    Dot griff nach Elsas Hand und drückte sie mit all ihrem bisschen Kraft. »Sie haben sich in eine Gewitterwolke verliebt, Elsa.«
    »Moment mal! Wer hat denn etwas von Liebe gesagt?«
    »Ach. Entschuldigen Sie. Ich dachte, deswegen wären Sie zu mir gekommen.«
    »Ich … ich …« Sie schluckte. Sie hatte ihn geküsst. Sie hatte ihr Ohr an seine Brust gelegt. Sie hatte sich mit ihm unterhalten und er war nervös gewesen und verlegen und er hatte sich über ihre Gesellschaft gefreut. »Ich …«, stammelte sie.
    Dot drückte Elsas Hand fester. »Als Finn, Kumulonimbus, sechzehn Jahre alt war, hat er seine Mutter mit einem Blitz getroffen. Daniel Fossiter hat Betty hierher gebracht, damit wir sie heilten, aber ich hatte keine Gelegenheit, mit Kumulonimbus selbst zu sprechen, wie ich gehofft hatte. Ich muss gestehen, ich bin ein wenig neidisch, dass Sie nun die Gelegenheit dazu haben. Aber ich gönne es Ihnen. Und ich glaube schon, dass Sie ihn lieben. Habe ich nicht recht?«
    »Wie könnte ich ihn denn lieben? Wir haben uns doch gerade erst kennengelernt. Ich weiß ja noch nicht mal, wie ich mich, wenn überhaupt, jemals nah an ihn heranwagen soll.«
    Dots Augen waren halb geschlossen. »Sehen Sie es doch mal so: Eine der erschreckenden Wahrheiten meines Leben ist, dass es meines ist. Niemand hat es je zuvor gelebt und niemand wird es je wieder tun. Jede Sekunde ist ein ganz neues Eigentum.«
    »Sie sprechen schon wieder in Rätseln.«
    »Und Sie haben immer noch nicht meine Frage beantwortet.«
    »Welche Frage?«
    »Lieben Sie ihn?«
    »Es ist wissenschaftlich erwiesen, dass Liebe nur ein Zusammenspiel aus chemischen Stoffen und elektrischen Impulsen im Gehirn ist.«
    »Das mag sein, aber das hilft einem nicht dabei, damit umzugehen. Lieben Sie ihn?«
    »Was ist, wenn ich die Frage nicht beantworten kann?« Dot zuckte mit den Schultern. »Sie müssen loslassen, Elsa, und riskieren, dass Sie dabei auch mal vom Weg abkommen. Das ist der beste Rat, den ich Ihnen geben kann, und ich habe das Gefühl, dass Ihr Vater mir zustimmen würde. Und jetzt gehen Sie.«

An dem Tag, als sie mit Finn bei den Sonnenvögeln gewesen war, hatte Elsa im Stillen den Plan gefasst, eine Geburtstagsfeier für ihn auf die Beine zu stellen. Die Idee war ihr auf dem Weg zurück zu seiner Kate gekommen. Er hatte seine Schuhe von den Füßen gekickt und in der Tür liegen gelassen, wo sie so zerfleddert und kaputt aussahen, dass Elsa sie am liebsten vergraben hätte. Sie hatte heimlich einen Blick hineingeworfen und dort die Schuhgröße entdeckt, in ausgeblichener Schrift, und plötzlich war ihr eingefallen, wie Finn erzählt hatte, dass er, seit seine Mutter nicht mehr in Thunderstown lebte, keinen seiner Geburtstage mehr gefeiert hatte. In diesem Moment war ihr der Plan in den Sinn gekommen, den sie jedoch in dem Wirbel der darauffolgenden Tage völlig vergessen hatte.
    Jetzt stand sie vor einer Schusterwerkstatt in der Welcan Row und betrachtete fasziniert das Ladenschild, auf dem Bryn Shoemaker: Schuhmacher stand. Sie drückte die Tür auf und atmete den Geruch nach Schuhcreme tief ein. Was in diesem Geschäft nicht aus Leder war, bestand aus ebenso braunem Holz, und Bryn Shoemaker selbst war sonnenverbrannt und trug eine Lederschürze über einem erdfarbenen Hemd. Sie hatte vorgehabt, Finn ein Paar bunte Sneakers zu kaufen, wie sie sie auch für sich selbst ausgesucht hätte, doch ihr wurde schnell klar, dass daraus wohl nichts würde. Von den Mokassins bis zu den Stiefeln war jedes Paar Schuhe in der Auslage aus karamellbraunem Leder gefertigt. »Macht die Füße glücklich«, erklärte Bryn, »und einen selbst so trittsicher wie die Ziegen, von denen es stammt.«
    Elsa kaufte zwei Paar Schuhe, weil sie nicht teuer waren und sie nicht sicher war, welche Finn besser passen würden. Dann machte sie sich auf den Weg zurück in die Prospect Street, wo Kenneth versprochen hatte, ihr mit dem zweiten Teil ihres Plans zu helfen.
    * * *
    Kenneth gluckste fröhlich, als sie hereinkam. Er hatte

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