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Der Mann, der den Regen träumt

Der Mann, der den Regen träumt

Titel: Der Mann, der den Regen träumt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Al Shaw
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Papier.
    Daniel versteifte seine Knie und Fußgelenke, als rechnete er damit, jeden Moment von einer gigantischen Flutwelle erfasst zu werden. Ich habe es verdient, dachte er im Stillen. Er verkrampfte die Finger ineinander und wartete.
    Finn schlang die Arme um ihn und zog ihn an sich. Er griff Daniel fest bei den Schultern und dieser konnte nur fassungslos vor sich hin starren.
    »Mein Leben lang«, sagte Finn dann und trat einen Schritt zurück, »kamst du mir so unbezwingbar vor. Als ich noch ein Kind war, hatte ich furchtbare Angst vor dir. Ich dachte, ich würde eines Nachts mit deinen Händen um meine Kehle aufwachen.«
    Daniel senkte den Kopf und kniff die Augen zu. »Gibt es irgendeinen Weg, wie ich das wiedergutmachen kann?«
    »Ich glaube, das hast du schon längst. Und wenn ich dafür irgendetwas wissen muss, dann ist es das hier: Menschen können sich ändern, genau wie Wolken. Ich verzeihe dir.«
    »Das habe ich nicht verdient.«
    »Wenn du es nicht verdient hättest, würde ich wohl kaum den Drang dazu verspüren.«
    »Ich werde besser zu dir sein, Finn, das schwöre ich. Für den Rest meiner Tage.«
    Finn sah weg. »Ich hatte damit gerechnet, dass dieses Gespräch schwer werden würde, aber aus einem anderen Grund. Ich bin gekommen, weil ich dir etwas sagen wollte, und jetzt weiß ich nicht, wie … Ich werde fortgehen. Ich werde Thunderstown verlassen.«
    Daniel starrte ihn verständnislos an, so als wartete er auf die Pointe des Witzes. Als diese nicht kam, schluckte er und fragte: »Ist das dein Ernst?«
    »Ja. Elsa und ich gehen weg von hier. Zusammen. Wir haben das Gefühl, dass es so sein soll.«
    Daniel hob einen Stuhl auf, den er eine Weile zuvor in seiner blinden Wut umgestoßen hatte, und ließ sich daraufsinken, die Hände zwischen den Knien. »Ich hatte gehofft, ich würde die Gelegenheit bekommen, es wiedergutzumachen.«
    »Ja. Das verstehe ich.«
    »Wo wollt ihr denn hin?«
    »Irgendwohin. Egal, wohin. Darum geht es ja gerade, dass wir kein genaues Ziel haben, weißt du?«
    Für einen Moment sah Daniel Finn vor sich, wie er, von Blitzen umzuckt, durch die Straßen einer belebten Stadt wandelte, und er öffnete den Mund, um ihn zu warnen, dann aber hielt er inne und ließ seine Angst los. Zu seiner Freude gelang es ihm. Nachdem der Anker einmal gelichtet war, glitt sie einfach davon.
    »Du musst tun, was du für richtig hältst«, sagte er, »obwohl es auch noch praktische Fragen zu klären gibt. Von irgendetwas wirst du leben müssen.«
    Finn zuckte mit den Schultern. »Wir werden uns schon irgendwie durchschlagen.«
    »Ich hatte gehofft, wir könnten einiges von der verlorenen Zeit aufholen.«
    Finn blies die Wangen auf. »Ich hätte nie gedacht, dass wir einmal ein solches Gespräch führen würden.«
    Daniel stand auf und ging zu seiner Truhe, die unversehrt inmitten der Zerstörung stand. »Wie du weißt, habe ich niemals verschwenderisch gelebt.« Er holte eine mit einer Metallklammer verschlossene Holzkiste aus der Truhe. »Darum habe ich einiges gespart, unter anderem auch das Geld, das ich von meinem Vater und Großvater geerbt habe.« Er öffnete die Kiste und darin lagen dicke, mit Bindfaden zusammengehaltene Bündel von Geldscheinen.
    »Nimm das hier mit, dann sind die praktischen Fragen geklärt.«
    »Daniel, das ist zu viel; du könntest es selbst noch brauchen.«
    Er hob die Hand. »Im Gegenteil, es ist viel zu wenig. Außerdem gefällt mir die Vorstellung, dass die Ersparnisse meiner Ahnen romantischen Zwecken dienen werden. Das ist wie eine Art Rache für mich.«
    Finn seufzte und nahm die Kiste entgegen. »Wir kommen noch einmal, um uns zu verabschieden, bevor wir uns auf den Weg machen.«
    »Das wäre schön. Ich werde versuchen, das Haus hier bis dahin wieder ein bisschen in Ordnung zu bringen. Es gibt eine ganze Menge wegzuschaffen, und ich muss ein Feuer machen.«
    Finn lachte, dann zögerte er und umarmte Daniel abermals. Daniel konnte sich nicht erinnern, jemals mit so viel Zuneigung berührt worden zu sein.
    »Finn«, sagte er, als sie sich voneinander lösten, »du hast da etwas am Ohr.«
    Finn griff sich an den Kopf, und als er seine Hand zurückzog, umwaberte ein dünnes Nebelband seine Finger. An der Seite seines Kopfes bildete sich noch mehr davon und formte sich zu kleinen Bäuschchen, zart wie Blütenblätter.
    »Das passiert in letzter Zeit öfter«, erklärte er. »Es bedeutet wohl, dass ich glücklich bin.«
    Daniel zeigte auf sich. »Über unser

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