Der Mann, der den Regen träumt
Gespräch gerade?«
Finn nickte.
Daniels Mund öffnete und schloss sich wieder, doch da ihm ihre Worte von eben so wundervoll erschienen, zog er es vor, diesen Eindruck nicht durch weitere zu verwässern.
»Ich sollte mich jetzt auf den Weg machen«, meinte Finn. »Elsa sagt gerade Kenneth Olivier Bescheid, dass wir die Stadt verlassen, und wir wollen uns auf dem Kirchplatz treffen. Wir machen zum Abschied einen letzten Rundgang durch Thunderstown.«
Daniel ging mit ihm nach draußen und blieb dann auf der Straße stehen. Er winkte Finn hinterher, als dieser sich auf den Weg in die Stadt machte, und bestaunte den schimmernden Streifen von Glück, den Finn hinter sich herzog.
Elsa holte tief Luft. »Ich verlasse Thunderstown.«
Sie waren in Kenneths Vorgarten, wo er in einem grellbunten Polohemd auf einem Stuhl saß und in einem seiner zerfledderten Almanache blätterte. Bei dieser Neuigkeit lehnte er sich zurück und stieß den Atem aus. »Oh«, sagte er, auf der Suche nach Worten.
Es war eine dieser unbestimmten Tageszeiten, irgendwann zwischen Nachmittag und Abend. Die Sonne gab sich noch immer Mühe zu scheinen, doch es zogen so viele ausgemergelte Wolkenstreifen von Westen nach Osten, dass der Himmel aussah wie ein auf dem Kopf stehendes Meer, unter dessen Oberfläche die Sonne glühte wie eine riesige versunkene Kugel.
Kenneth blickte nach oben, als erwarte er von dort eine Eingebung. »So«, sagte er schließlich. »Darf ich fragen, warum?«
»Ich habe jemanden kennengelernt.«
Kenneth war ein viel zu großartiger Mensch, als dass er aufgrund seiner Enttäuschung ein Lächeln zurückhalten würde oder dieses Lächeln daran hindern würde, sich in ein Glucksen zu verwandeln. »Das hätte ich mir wohl auch denken können! Ist es jemand aus Thunderstown?«
»So in der Art. Er heißt Finn. Finn Munro.«
Kenneth runzelte die Stirn. »Hmm, dem Namen kann ich kein Gesicht zuordnen.«
»Das liegt daran, dass er, äh, na ja …« Elsa wollte ihm die Wahrheit erzählen, denn das hatte er einfach verdient, nachdem er so gut zu ihr gewesen war. Sie räusperte sich. »Das mag jetzt vielleicht seltsam klingen«, begann sie und dann stürzte alles aus ihr heraus, was passiert war: dass sie ganz am Anfang gesehen hatte, wie Finn sich in eine Wolke aufgelöst hatte; von ihren heimlichen Besuchen in seiner Kate und davon, wie er ihr gezeigt hatte, dass in seinen Adern Luft anstelle von Blut strömte; von ihrem Ausflug in die Höhle und den Bildern dort an der Wand; wie Dot ihr Finns sonderbaren Körper erklärt hatte; und dass er nun, da er glücklich war, manchmal von einer Aura aus Dunst umgeben war. Als ihr Bericht zu Ende war, wartete sie atemlos darauf, dass Kenneth seinen Unglauben kundtat.
»Ich muss zugeben, Elsa, dass ich einiges davon bereits wusste.« Kenneth Olivier sah verlegen aus. »Als wir zusammen den Kuchen gebacken haben, war mir klar, dass er für jemand ganz Besonderen sein musste. Außerdem, na ja, sind kleine alte Nonnen einfach fürchterlich geschwätzig. Dot meinte, du bräuchtest vielleicht meine Hilfe, aber ich glaube nicht, dass du im Moment irgendjemanden brauchst außer diesem Finn. Für mich klingt das alles sehr danach – wenn ich das anmerken darf –, als würdest du langsam lernen zu verstehen, was dein Herz dir sagen will. Und vielleicht war es genau das, was du dir erhofft hattest, als du nach Thunderstown gekommen bist.« Er stand auf und breitete die Arme aus. »Na dann, meinen herzlichen Glückwunsch! Ich wünsche dir alles Gute.«
Sie umarmten sich und einen Moment später trat Kenneth einen Schritt zurück, die Hände noch immer auf ihren Schultern. »Und du wirst Michaels Auto mitnehmen.«
»Was? Nein, Kenneth. Das geht doch nicht.«
»Oh, doch. Wie solltet ihr denn sonst aus Thunderstown herauskommen? Aber mach dir keine Sorgen, so selbstlos ist das Geschenk gar nicht. Ich hoffe eher, dass es dich daran erinnern wird, mir hin und wieder mal eine Karte zu schreiben.«
Sie grinste. »Du wirst dir noch wünschen, mich nie darum gebeten zu haben. Ich werde dir haufenweise Karten schicken. Und dich anrufen. Ich will, dass wir in Kontakt bleiben. Es klingt vielleicht übertrieben, aber du warst wirklich meine Rettung, als du mich bei dir hast wohnen lassen. Ohne dich hätte ich gar nichts auf die Reihe bekommen.«
Er neigte den Kopf. »Das ist nett von dir, Elsa. Darf ich diesen glücklichen Wolkenjungen denn auch noch mal kennenlernen, bevor ihr zwei euch auf den Weg
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