Der Mann, der den Zügen nachsah
Tageszeitungen, die drei bedeutendsten, und setzte sich damit in eine Bar an der Place de la Bastille. Kein Mensch ahnte, welche Stürme in ihm tobten, während er einen Kaffee mit Sahne trank und las und las, mal entzückt und mal verärgert, aber immer vom gleichen Fieber geschüttelt.
Doch wie sollte er die Sache praktisch bewerkstelligen? Er war fest entschlossen, alle diese Zeitungsartikel aufzubewahren, doch andererseits konnte er nicht gut mit Dutzenden von Zeitungen in den Taschen umhergehen.
Er überlegte, mit dem Ergebnis, daß er in die Toiletten hinunterging, wo er mit seinem Taschenmesser alles, was ihn betraf, herausschnitt. Blieb noch das Problem, sich der so verstümmelten Zeitungsseiten zu entledigen, das er zu lösen glaubte, indem er sie in die Klobecken versenkte; aber das kostete ihn eine halbe Stunde Arbeit, denn diese Masse Papier wollte nicht durchgehen. Viele Male mußte er die Spülung ziehen und jedesmal warten, bis das Wasserreservoir sich wieder gefüllt hatte, so daß man, wenn er wieder ins Café heraufkam, glauben mußte, ihm sei da unten schlecht geworden.
Also mußte er seine Taktik ändern, und das tat er denn auch mit den etwa zwanzig Tageszeitungen, die er im Laufe des Tages kaufte, immer nur drei zugleich, um nicht die Aufmerksamkeit auf sich zu lenken.
Die ersten drei Zeitungen las er in einem Bistro an der Ecke des Boulevard Henri-IV und der Seine-Quais, dann warf er die restlichen Zeitungsseiten in die Seine.
Für die folgenden Blätter wählte er ein anderes Café am Quai d’Austerlitz, und so folgte er dem Fluß in Etappen bis zum Quai de Bercy.
Da es kein annehmbares Lokal in dieser Gegend gab, begab er sich für den Nachmittag wieder in die Nähe der Gare de Lyon, wo er eine Brasserie nach seinem Geschmack fand, und um zwei Uhr, in einem Winkel hinter dem Ofen sitzend, machte er sich an die Arbeit, nachdem er einen Füllfederhalter gekauft hatte, denn seiner war in Groningen zurückgeblieben.
Wenn er schon die Kosten für eine Uhr und einen Füllfederhalter auf sich genommen hatte – achtzig Francs für die Uhr und zweiunddreißig für den Füller –, so deshalb, weil er eine richtige Arbeit vorhatte, und er wußte aus Erfahrung, daß man mit den Federhaltern, die in den Cafés für die Gäste verfügbar sind, nicht ordentlich schreiben kann.
Er verlangte also nur Schreibpapier. Dann begann er in kleiner schulmäßiger Schrift, die er lange durchhalten konnte, ohne sein Handgelenk zu ermüden:
Sehr geehrter Herr Chefredakteur, Dieser Brief war an die führende Zeitung von Paris gerichtet, die ihm fast volle drei Spalten gewidmet und einen Spezialreporter für zwei Tage nach Holland entsandt hatte. Wenn Kees dieses Blatt wählte, so nicht nur wegen der hohen Auflage, sondern weil diese Zeitung als einzige eine intelligente Schlagzeile gebracht hatte:
Der Mörder von Pamela macht sich über die Polizei lustig, indem er sie über eine neue Missetat informiert, die ihr sonst verborgen geblieben wäre.
Er hatte genügend Zeit vor sich. Er konnte seine Sätze sorgfältig formulieren. Der Ofen summte ebenso wie der in Groningen, und an den Tischen saßen lauter ruhige Gäste, die auf die Abfahrtszeit eines Zuges warteten.
Sehr geehrter Herr Chefredakteur, zunächst muß ich Sie bitten, mein Französisch zu entschuldigen, denn in Holland hatte ich in den letzten Jahren nur wenig Gelegenheit, es praktisch anzuwenden.
Stellen Sie sich vor, in allen Zeitungen würden Leute, die Sie überhaupt nicht kennen, schreiben, Sie wären so oder so, was aber gar nicht der Wirklichkeit entspricht, weil Sie ganz anders sind. Ich bin sicher, das würde Ihnen sehr mißfallen und Sie hätten den dringenden Wunsch, die Wahrheit zu sagen.
Ihr Redakteur ist nach Groningen gefahren und hat die Leute befragt, aber die Leute konnten nichts wissen oder aber sie haben bewußt gelogen oder sie haben gelogen, ohne es ausdrücklich zu wollen.
Ich möchte das richtigstellen, und ich beginne von allem Anfang an, denn ich hoffe, Sie werden dieses Dokument veröffentlichen, das authentisch ist und das zeigen soll, wie man das Opfer der Aussagen anderer Leute werden kann.
In dem Artikel ist zunächst von meiner Familie die Rede.
Dies auf Grund von Äußerungen meiner Frau gegenüber Ihrem Reporter:
»Ich kann nicht begreifen, was geschehen ist, und es gab nichts, was darauf hindeutete. Kees stammt aus einer sehr guten Familie; er hat eine
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