Der Mann, der den Zügen nachsah
erst einmal diesen Entschluß gefaßt hat. Man braucht sich nicht mehr darum zu kümmern, was dieser oder jener denken mag, was erlaubt oder verboten ist, schicklich oder nicht, korrekt oder nicht korrekt.
So mußte im Hause, wenn ich auch nur in die nächste Staat fuhr, Koffer gepackt und telefonisch ein Zimmer im Hotel bestellt werden…
Ich aber bin in aller Ruhe zum Bahnhof gegangen und
habe eine Fahrkarte nach Amsterdam gelöst, eine Fahrkarte auf immer!
Und dann, weil Julius de Coster mir von Pamela erzählt
hatte und diese mir zwei Jahre lang als die begehrenswerteste Frau der Welt erschienen war, habe ich mich aufgemacht, sie zu besuchen.
Ist das nicht zu verstehen? Sie hat mich gefragt, was ich wolle. Ich habe es ihr so gesagt, wie ich es Ihnen hier schreibe, ohne Phrasen, und sie hat das nicht ganz natürlich gefunden, sondern ist in ein idiotisches und beleidigendes Lachen ausgebrochen.
Ich frage Sie: Was konnte ihr das schon ausmachen, da es doch ihr Beruf war? Von dem Moment an, da ich entschlossen war, Pamela zu kriegen, mußte ich sie auch haben. Erst am folgenden Morgen erfuhr ich, daß ich das Handtuch etwas zu fest angezogen hatte. Man müßte auch wissen, ob Pamela nicht herzkrank war, denn sie ist mit einer unfaßbaren Leichtigkeit aus dem Leben geschieden.
Also auch hier irrt Ihr Redakteur auf der ganzen Linie. Was erzählt er? Daß ich aus Groningen wie ein Wahnsinniger geflohen sei! Daß die Reisenden meinen erregten Zustand bemerkt haben! Der Steward auf dem Schiff will sogar deutlich gesehen haben, daß ich nicht in normaler Verfassung war!…
Aber kein Mensch versteht, daß ich gerade »vorher« nicht in meinem normalen Zustand war! »Vorher«, wenn ich Durst hatte, wagte ich es weder zu sagen noch in ein Café zu gehen. Wenn ich Hunger hatte, bei Bekannten, und man mir zu essen anbot, sagte ich aus purer Höflichkeit:
»Nein, danke.«
Bei einer Reise im Zug fühlte ich mich verpflichtet, so zu tun, als läse ich oder betrachtete die Landschaft, und ich behielt die Handschuhe an, weil das schicklicher ist, obwohl sie mir die Finger einklemmten.
Weiter schreibt Ihr Redakteur:
»Hier hat der Verbrecher einen Fehler begangen, der alles andere nach sich ziehen sollte: In seiner Panik hat er seine Aktentasche im Zimmer des Opfers vergessen.«
Das ist nicht wahr! Ich habe keinen Fehler gemacht! Ich war nicht in Panik! Diese Aktentasche hatte ich aus purer Gewohnheit bei mir und ich bedurfte ihrer nicht mehr. Ich konnte sie dort oder sonstwo lassen! Als ich erfuhr, daß Pamela tot war, hätte ich auf jeden Fall die Polizei davon benachrichtigt, daß ich allein dafür verantwortlich war.
Zum Beweis: Gerade erst gestern habe wiederum ich selbst Kommissar Lucas einen Rohrpostbrief geschickt, worin ich ihm sagte, daß ich einen neuen Überfall auf Jeanne Rozier begangen hätte.
Der Titel, den Sie dem Bericht gegeben haben, ist entschieden schmeichelhaft. Da wird behauptet, ich hätte die französische Polizei verhöhnen wollen, und das stimmt auch wieder nicht. Ich will niemand verhöhnen. Ebensowenig wie ich ein Wahnsinniger bin oder Jeanne Rozier aus einem bösen Trieb angegriffen habe.
Es ist schwierig, Ihnen verständlich zu machen, was da vorgegangen ist, zumal es der Geschichte mit Pamela ähnelt. Zwei Tage hintereinander habe ich Jeanne Rozier zu meiner Verfügung gehabt, und ich habe mich nicht im geringsten versucht gefühlt.
Dann, als ich allein war, habe ich an sie gedacht und mußte feststellen, daß sie mich interessierte. Ich bin hingegangen, um es ihr zu sagen. Und da hat sie sich, ohne jeden Grund, mir verweigert.
Warum? Und warum habe ich nicht meine ganze Kraft aufgewendet? Ich habe es getan, mit größter Vorsicht, denn sie ist eine reizende Person, und ich hätte niemals gewollt, daß ihr ein Unglück zustieße. Ebensowenig wie Pamela! Mit Pamela – das war ein Unfall. Ich war eben ein unerfahrener Neuling!
Begreifen Sie nun allmählich, daß mich die heute veröffentlichten Artikel aufgebracht haben? Ich werde nicht an alle Zeitungen schreiben, denn das wäre zuviel Arbeit, aber auf diese Richtigstellung mußte ich Wert legen.
Also ich bin weder verrückt noch wahnsinnig! Ich habe lediglich, mit vierzig Jahren, beschlossen, so zu leben, wie es mir gefällt, ohne mich um Konventionen oder Gesetze zu kümmern, denn ich habe etwas spät entdecken müssen, daß niemand sich an sie hält und daß, bis
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