Der Mann, der die Frauen belog - Roman
Schöne und das Biest, nur mit umgekehrten Vorzeichen.«
Charles sah auf seine Hände hinunter. Die Schöne und das Biest – das war auch sein Problem. Er warf einen Blick in den antiken Spiegel über der Couch. Nein, bei ihm war es wohl eher die Schöne und der Clown. Hinter ihm bewegte sich Mallorys Spiegelbild. Sie passten einfach nicht zusammen in einen Rahmen.
»Ob du wohl mal eben aufmachen könntest? Es wird Henrietta sein«, sagte er zu Mallory, die der Tür am nächsten saß.
Erst jetzt hörte man den Türsummer.
Mallory sah ihn groß an. »Irgendwann musst du mir verraten, wie du das machst.«
»Henrietta kommt direkt aus ihrer Praxis, und sie ist fast so pünktlich wie du. Das haben Psychologen und Cops wohl so an sich.«
Mallory ließ die Bewohnerin von Apartment 3 A ein. Henrietta trug noch ihre Dienstkleidung, ein strenges Kostüm mit pastellfarbener Bluse.
Während sie Mallory in ein Gespräch über den Mord im Park verwickelte, ging Charles in die Küche. Knolle folgte ihm. Er war sehr schnell dahintergekommen, dass alles Essbare hier seinen Ursprung hatte. Mallory hatte den Bürokühlschrank wieder aufgefüllt, und Charles holte das Tablett mit Aufschnitt, Käse und verschiedenen Gewürzsaucen heraus. Henrietta kam dazu, als er sich gerade bückte, um den Kater mit einem Stück Rauchfleisch zu füttern. Obgleich Knolle und er sich erst vierundzwanzig Stunden kannten, wusste Charles schon ziemlich genau, was der Kater gern aß und was nicht.
»Wie geht’s, Knolle?«, fragte Henrietta.
Charles sah auf. Der Kater tat nichts dergleichen.
Zehn Minuten später saßen Charles und Henrietta am Küchentisch und tranken Kaffee. Mallory stand an der Arbeitsfläche und schnitt Käse. Zu ihren Füßen schnurrte es. Sie hielt inne und ließ den Blick einen Moment nachdenklich zwischen dem Messer und Knolle hin und her wandern.
»Ich möchte wirklich wissen, warum das Vieh so an Mallory hängt«, sagte Charles. »Für mich tanzt er nicht, dabei bin ich es, der ihn füttert.«
»Steht in dem Roman, wie er abgerichtet wurde?«, fragte Henrietta.
»Nein. Ich denke, dass er es über das Futter gemacht hat.«
»Oder mit schmerzhaften Strafen. Es könnten auch visuelle Signale gewesen sein. Was ist mit seinem Ohr?«
»Ich war’s nicht.« Mallory stellte einen Teller mit vier verschiedenen Käsesorten auf den Tisch. »Das hat er sich auf der Straße geholt. Er ist ein gepflegtes Tier, meint der Tierarzt, das immer im Haus gehalten wurde.«
Charles nickte. »Wenn die Heldin des Romans Amanda Bosch ist, kann ich mir nicht vorstellen, dass sie einen Tierquäler an den Kater herangelassen hätte.«
»Ihr Liebhaber hat ihm in vier Tagen das Tanzen beigebracht«, wandte Mallory ein.
»Wenn wir dem Roman glauben wollen …«, sagte Charles und bereute es sofort. Von Mallorys Tischseite kam eine Kaltfront auf ihn zu. Er schenkte Henrietta Kaffee nach. »Sie hat den Roman vor über einem Jahr angefangen. Spuren von Misshandlungen könnten inzwischen verheilt sein.«
»Dann tanzt der Kater höchstwahrscheinlich, um nicht bestraft zu werden.« Henrietta belegte ihr Sandwich mit Rauchfleisch. »Misshandelte Kinder hängen manchmal sehr an den Eltern, auch wenn die sie geschlagen und gequält haben. Deshalb habe ich nach Knolles Ohr gefragt. Mallory hat eine gewisse Ähnlichkeit mit Amanda Bosch. Vermutlich werden da Erinnerungen wach.«
Charles nahm einen Streifen Roastbeef von seinem Sandwich und ließ es in Knolles aufgesperrte Schnauze fallen. »Aber bestimmt kann er doch Mallory von seiner Besitzerin unterscheiden?«
»Tiere reagieren manchmal ganz stark auf visuelle Reize«, sagte Henrietta. »Als ich neulich im Tierheim war, kam ich an einem Käfig vorbei, in dem eine Katze verrückt spielte. Sie streckte die Pfoten durchs Gitter und schrie zum Gotterbarmen. Das macht sie immer, wenn eine Frau mit langen Haaren vorbeikommt, wurde mir gesagt. Eigentlich hatte ich mir einen Hund holen wollen. Nach Hause gekommen bin ich mit besagter Katze. Es war Liebe auf den ersten Blick. Wie bei Mallory und Knolle.«
»Was steht sonst noch in dem Roman?« Mallory stieß den Kater weg. Das mit der Liebe auf den ersten Blick war wohl in diesem Fall eine eher einseitige Angelegenheit.
»Nichts, was speziell auf einen deiner drei Verdächtigen hindeutet«, sagte Charles. »Der Held macht sich nicht viel aus Frauen, schläft aber gern mit ihnen. Das hilft dir vermutlich nicht weiter. Was mit der Lüge gemeint sein könnte,
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