Der Mann, der die Frauen belog - Roman
entschuldigte sich bei dem Hund, und dann entschuldigte er sich im gleichen Ton bei ihr.
Der Mann am Empfang der Coventry Arms betrachtete seine Welt und sah, dass sie gut war. Es war eine Welt gepflegter Menschen in Designerkostümen, maßgeschneiderten Anzügen und handgefertigten Schuhen. Er achtete mehr auf die Kleidung als auf die Gesichter, und die Gesichter der wenigen Kinder nahm er überhaupt nicht wahr.
Die heiteren Klänge eines Vivaldi-Mandolinenkonzerts berieselten die Halle, und er schlug mit der Schuhspitze den Takt dazu.
Weniger melodisch, ja, ausgesprochen störend war das hohe Kläffen und kehlige Knurren, das aus der Aufzugskabine drang. Dann ging die Tür auf, und der Hundezoff setzte sich in der Halle fort.
Der Mann vom Empfang winkte einem Pagen, der aber hielt respektvollen Abstand. Er dachte nicht daran, sich von einem Pitbull und einem Mastiff in Stücke reißen zu lassen, das war in seiner Stellenbeschreibung nicht vorgesehen. Die Hundehalter verhielten sich ebenfalls zurückhaltend. Der Portier verließ seinen Posten, um den Mastiff anzufeuern. Der Page hielt einen Fünfdollarschein hoch. Er setzte auf den Pitbull.
Irgendetwas musste geschehen, fand der Mann vom Empfang, aber da er die Regeln nicht kannte, hatte er sich zu nah herangewagt. Der Mastiff schnappte zu, und menschliche Jammerlaute mischten sich in das wütende Gekläff.
Inzwischen hatte sich eine stattliche Zuschauermenge versammelt, und niemand bemerkte, wie von dem Schlüsselbrett hinter dem Empfangstresen Mallorys Schlüssel verschwand und durch einen ganz ähnlichen ersetzt wurde.
»Hast du dich über den CD-Player gefreut?«
»Ja, schönen Dank. Und dass du mir Louisas Concerto dazu ausgesucht hast, war eine gute Idee.«
»Du musst jetzt auf CDs umsteigen, Charles. Die meisten deiner Platten lassen sich wahrscheinlich überspielen, sie sind ja gut erhalten.«
»Ich mag aber Schellackplatten. Und ich mag Plattenteller.« Er wehrte sich mit Händen und Füßen gegen die zunehmende Technisierung.
»Mit veralteter Technik kannst du deine Plattensammlung nicht weiter ausbauen. Was macht übrigens der Freund von Max, der verrückte Malachai? Der Jüngste kann er ja auch nicht mehr sein.«
»Nein.« Seit wann hatte Mallory einen Hang zu nichtssagender Konversation?
»Ja. Aber Louisa ist noch immer neunzehn, sie wird nie älter.«
Charles sah zu, wie sie in ihrem Büro neue Ausdrucke an die Korktafel pinnte. »Bist du schon dieser Lüge auf die Spur gekommen, die Amanda ihrem Liebhaber vorwirft?«
Mallory tippte auf die Auskunft eines Immobilienmaklers. Er hütete sich zu fragen, ob der Makler die Angaben freiwillig herausgegeben oder ob Mallory sie sich bei einem mitternächtlichen Raubzug auf der Datenautobahn geholt hatte.
»Vier Tage vor der Abtreibung hat man ihr ein kleines Haus außerhalb von New York angeboten. Sie hat sich eingehend nach Schulen und Spielplätzen erkundigt. Wie wir von ihrem Arzt wissen, hat sie danach kaum geschlafen und kaum etwas gegessen. In diesen Tagen hat er ihr wohl seine Lüge vorgesetzt. Sie hat sich eine Weile damit herumgeschlagen und dann eine Aussprache mit ihm erzwungen.«
»Zum Gefühlsausbruch am Computer kam es unmittelbar vor ihrem Tod. Könnte es nicht auch sein, dass sie da gerade erst von der Lüge erfahren hatte?«
»Nein. Seine Lüge hat sie ja dazu gebracht, das Kind abtreiben zu lassen. Das hat in ihr gearbeitet, bis sie es dann nicht mehr ausgehalten hat.«
»Da ist aber ein Bruch in der Logik.«
»Logik allein bringt’s nicht. Du musst dich in den Täter hineinversetzen. Wenn du ihn kennst, kennst du auch das Wie und das Warum. Mir fehlt jetzt nur noch das Wer.« Sie wandte sich zu Charles um. »Wie gut glaubst du Amanda zu kennen?«
Er stutzte. Aber sie konnte schließlich nicht wissen, dass er auf dem besten Wege war, in Malachais Wahn zu verfallen. Oder doch? Warum hatte sie ihm ausgerechnet die CD mit Louisas Concerto geschenkt? Ach was, das war ja paranoid …
»Durch das Manuskript kenne ich Amanda vielleicht gut genug, um ihre Reaktionen auf bestimmte Ereignisse zu erraten, aber nicht die Ereignisse selbst, nicht die Lüge, unter der sie so gelitten hat. Ich kann nur so viel sagen, dass es etwas Ungeheuerliches gewesen sein muss. Sie war sehr sanftmütig, konnte auch mal über sich und andere lachen, ich fand sie sehr –«
»In den Unterlagen über ihre Recherchen haben wir nichts Einschlägiges gefunden. Aber irgendwie muss sie es ja rausgekriegt
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