Der Mann, der die Frauen belog - Roman
haben, und so gut wie sie bin ich schon lange.«
»Meinst du? Vergiss nicht, dass es womöglich nicht sein erster Mord war. Vielleicht war es das, was sie entdeckt hat.«
»Aber wenn es nichts Schriftliches darüber gibt …«
»Die beiden kannten sich sehr gut, Mallory. Auch wenn es nicht die große Liebe war – sie waren häufig zusammen, haben miteinander geredet, miteinander geschlafen … Wie ertappt man einen Menschen bei einer Lüge? Indem man genau hinhört. Die Wahrheit bleibt sich immer gleich, eine Lüge aber verändert sich ständig, weil das Gedächtnis der meisten Menschen nicht unfehlbar ist.«
Er erschrak ein wenig, als er begriff, dass sie in diesem Stück unterschiedliche Rollen übernommen hatten. Mallory machte es keine Mühe, sich in die Denkweise eines Killers hineinzuversetzen. Den schwierigeren Part, sich in ein ganz normales menschliches Wesen einzufühlen, das schutzlos einer brutalen Welt ausgeliefert ist, hatte sie ihm überlassen.
Wie gern hätte er Mallory mit der von ihm geschaffenen Amanda zusammengespannt und sich aus dem Spiel zurückgezogen. Denn nichts anderes war es für Mallory. Wie hatte die kleine Kathy gesagt? Mörder spielen macht doch immer noch am meisten Spaß.
Sie packte einen Stapel Videokassetten aus. »Vielleicht war der Auslöser ja auch etwas aus dem Fernsehen. Der Richter war in den letzten zwei Wochen sehr oft auf dem Bildschirm.«
Charles betrachtete die Pinnwand, die sich in der Einteilung sehr vom Stil des detailbesessenen Louis Markowitz unterschied. Für dessen pingelige Arbeitsweise war Mallory mit ihrer schnellen, wachen Intelligenz zu ungeduldig. Aber niemand konnte schließlich von ihr verlangen, dass sie in allem ihren Pflegevater kopierte. Mallory sah, dass er ihren Bericht über das Gespräch mit dem Portier las.
»Ich glaube, das war der entscheidende Vormittag«, sagte sie. Sie war ›irgendwie aufgeregt‹, so hat es der Portier formuliert. Aufgewühlt, wie sie war, ging sie nach Hause, schaltete ihren Computer ein, wollte vielleicht arbeiten, um sich abzulenken, und dann brach es aus ihr heraus: DU LÜGNER DU LÜGNER …«
Sie legte eine Kassette ein. »Es sind alle einschlägigen Sendungen aus den letzten zwei Wochen.«
Die erste Aufzeichnung präsentierte einen äußerst publikumswirksamen und seiner Wirkung voll bewussten Richter Heart auf einer Pressekonferenz. Wenn sich die versammelten Journalisten meldeten, um Fragen zu stellen, bevorzugte er das weibliche Kontingent und sah jeder einzelnen Reporterin so tief in die Augen, als drehte sich seine Welt nur noch um sie.
Noch aufschlussreicher waren die Szenen, die Richter Heart bei den Senatsanhörungen zeigten. Der Mann, den Mallory im Verdacht hatte, seine Frau zu prügeln, referierte ausführlich über sein großes Anliegen, die Verhinderung sexueller Belästigungen am Arbeitsplatz, und tönte von seiner Empathie für Frauen, die schließlich eine besonders schutzwürdige Spezies seien. Die Senatorin von Maine hing an seinen Lippen.
Was hätte Amanda an so einem Mann reizen können, überlegte Charles. Aber die Macht hat ihre eigene Dynamik, und Richter Heart war ein hochintelligenter Mann.
»In der Zeitung steht der Richter auch ständig. Keine Artikel, die einen vom Stuhl reißen. Trockenes Zeug über die Anhörungen, ein paar Fotos des Kandidaten und seiner Familie. Sagte ich dir schon, dass er meiner Meinung nach seine alte Mutter umgebracht hat?«
»Slope hat beim Pokern davon erzählt, aber er hält das für reine Spekulation.«
»Wenn man sonst nichts hat, greift man nach jedem Strohhalm, Charles. Ich solle nicht vergessen, dass es womöglich nicht sein erster Mord war, hast du vorhin gesagt. Vielleicht hatte Amanda Angst, die Neigung zum Muttermord könnte sich vom Vater auf das Kind vererben.«
»Möglich ist alles … Was ist mit Harry Kipling? Nach deiner Schilderung scheint er ja ziemlich harmlos zu sein.«
»Er ist ein Typ, der leicht in Panik gerät. In der Ehe hat eindeutig Angel das Sagen.«
Eine Stunde saßen sie schweigend nebeneinander. Mallory spielte die Bänder im schnellen Vorlauf ab und stoppte nur hin und wieder, um sich eine Szene genauer anzusehen. Charles hatte den Eindruck, dass Heart im Verlauf dieser vierzehn Tage zunehmend nervös geworden war.
»Sieh bloß, wie Heart diese Journalistin um den Finger wickelt.«
Die junge Frau strahlte ihn an, und der Richter lächelte gütig väterlich zurück.
»Am sechsundzwanzigsten schließe ich den
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