Der Mann, der die Frauen belog - Roman
Fall ab«, sagte Mallory. »Aber das bleibt unter uns. Coffey und Riker brauchen nichts davon zu wissen.«
»Wie kannst du den Tag so genau bestimmen? Du weißt ja noch nicht mal, welcher deiner Verdächtigen es ist.«
»Nicht nur den Tag. In etwa sogar die Zeit.«
»Und warum –«
»Weil ich weiß, wie ich ihn manipulieren kann. Bei Franz und Kipling habe ich schon meinen Ansatzpunkt. Den Richter bringe ich in Trab, indem ich ihm sage, dass ich beantragen werde, seine Mutter exhumieren zu lassen.«
»Slope wird da nicht mitspielen.«
»Den brauche ich dazu nicht.«
Wie es schien, brauchte Mallory nichts und niemanden auf der Welt. »Aber einer von den dreien ist dein Favorit, nicht?«
»Am sechsundzwanzigsten liefere ich ihn beim Staatsanwalt ab.« Mit dieser Antwort musste er sich zufriedengeben.
»Wen wollen Sie abliefern?«, fragte eine Kinderstimme. »Mich?«
Justin Riccalo stand unter der Tür und sah von einem zum anderen. »Mich?«, wiederholte er.
»Das wäre dir nicht recht, was?« Mallory wandte sich an Charles. »Wenn Kinder so einfach ins Haus spazieren können, haben wir ein Sicherheitsproblem.«
Charles sah den Jungen an. »Wie bist du hereingekommen, Justin? Warum hast du dich nicht unten über das Haustelefon angemeldet?«
»Ein alter Mann auf Krücken hat mich reingelassen. Er hatte ein Päckchen fallen lassen, das hab ich aufgehoben und ihm getragen. Da fand ich es irgendwie blöd, noch mal rauszugehen und mich anzumelden. Es ist ganz schön kalt draußen.«
»Mugridge hat dich eingelassen?«, fragte Mallory skeptisch. Der alte Mugridge war von allen Hausbewohnern am meisten auf Sicherheit bedacht.
»Ja. Ich hab geklopft, das haben Sie aber wohl nicht gehört.«
»Draußen ist auch ein Klingelknopf«, stellte Mallory fest.
Charles ging mit dem Jungen in sein Büro und machte die Tür hinter sich zu.
»Mallory hasst mich, Mr. Butler.«
»Sie misstraut jedem, auch mir, das darfst du nicht persönlich nehmen. Was kann ich für dich tun?«
»Ich wollte fragen, ob Sie noch mal mit mir in den Keller gehen würden.«
»Das wundert mich aber, nachdem –«
»Ich glaube nämlich, dass ich Zauberkunststücke doch ganz lustig finde.«
»Was sagen denn deine Eltern dazu, dass du die Schule schwänzt?«
»Wir haben Weihnachtsferien.«
Richtig – heute war Weihnachtsabend. Wie hatte er das nur vergessen können …
»Dann rufe ich sie nur eben an und sage Bescheid, dass du bei mir bist.«
»Muss das sein? Die denken nämlich, ich bin in der Tanner School.«
»Aber eben hast du doch gesagt –«
»Das mit den Weihnachtsferien stimmt, aber heute haben sie mich in der Schule geparkt. Ein Service für berufstätige Eltern. Überall sind Firmenweihnachtsfeiern, da müssen meine Eltern sich sehen lassen.« Der Junge setzte sich auf den äußersten Rand eines Stuhls mit gerader Lehne. Die zappeligen Füße reichten nicht ganz bis auf den Boden, die Hände umklammerten die Sitzfläche, als könnte der Stuhl jeden Augenblick mit ihm auf und davon gehen.
Robert Riccalo war bestimmt nicht begeistert, wenn er von dieser Eskapade hörte.
»Das trifft sich ganz gut, ich wollte sowieso noch mal mit dir unter vier Augen sprechen«, sagte Charles. »Täusche ich mich, oder gehen deine Eltern dir ein bisschen auf die Nerven, Justin?«
»Das ist die Untertreibung des Jahres, Mr. Butler. Die beiden gehen mir furchtbar auf den Geist. Ihre Partnerin übrigens auch. Sie denkt, dass ich das mache. Aber an diesen Quatsch mit der Levitation glauben Sie doch nicht, oder?«
»Nein, ich glaube nicht, dass es sich hier um Levitation handelt. Parapsychologie ist für mich keine Wissenschaft. Allerdings muss einer von euch dreien ein recht begabter Illusionist – oder eine begabte Illusionistin – sein.« Vielleicht reicht aber auch schon eine mittelprächtige Begabung, dachte Charles. Wer sucht schon nach einem Nylonfaden, wenn ein spitzer Gegenstand auf ihn zugeflogen kommt?
»Ich schätze, dass meine Stiefmutter dahintersteckt. Sie will wahrscheinlich meinen Vater gegen mich aufbringen. Der ist jetzt schon unheimlich sauer auf mich. Und Ihre Partnerin hat sie auch schon für sich gewonnen, ich hab gesehen, wie die beiden sich unterhalten haben.«
»Wo war das?«
»Vor den Coventry Arms.«
»Ich bin auf deiner Seite, Justin, das darfst du mir glauben. Und ich weiß etwas, das dir Spaß machen wird.« Charles holte seine Schlüssel aus dem Schreibtischfach. »Komm mit. Diesmal gibt’s keine Musik,
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