Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Der Mann, der die Frauen belog - Roman

Titel: Der Mann, der die Frauen belog - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: PeP eBooks
Vom Netzwerk:
entfernten sich kurz, kamen wenig später zurück. Ein Schlüssel drehte sich im Schloss.
    Justin wich in die hinterste Ecke zurück, als die Tür gegen die Kommode stieß und langsam, aber sicher das schwere Möbelstück zurückschob.
    Das lautstarke Gequengel lenkte ihre Aufmerksamkeit auf den Fünfjährigen. »Ich will den toten Mann sehen!«, verlangte er, und das wollte jetzt auch Mallory. Sie ging auf die Gaffer zu, die vor dem Nebenhaus den Gehsteig versperrten. Die Frau, die den Jungen am Arm gepackt hatte, bekam von ihm einen kräftigen Tritt vors Schienbein. Sie hatte eine andere Hautfarbe als ihr Schützling, trug eine gestärkte Uniform und schien mit beiden Beinen auf der Erde zu stehen, was einem in dünner Hochhausluft aufgewachsenen Kind nur guttun konnte.
    »Ich will noch nicht rein!« Er ballte die kleinen Fäuste.
    Ein Mann in langem schwarzen Mantel – vorzüglich geschnitten, wie Mallory mit Kennerblick feststellte – stieß dem reglosen Mann die Spitze seines Regenschirms in die Seite.
    »Ist er tot?«, fragte die Frau neben ihm und wich zurück. »Riecht er deshalb so?«
    »Nein«, sagte eine andere. »So riechen sie alle«.
    Als Mallory sich nach vorn drängte, sah sie gerade noch, wie der Regenschirm den steifen Körper auf die andere Seite rollte. Das schmutzige Gesicht mit den geschlossenen Augen sah fast friedlich aus. Die Flasche neben ihm, eine Pfütze mit Erbrochenem, zerlumpte Kleidung … Es war nicht schwer zu erraten, was hier geschehen war. Der Mann war spätabends – zu betrunken, um sich nach einer geeigneteren Bleibe umzusehen – ins Gebüsch gekrochen und erfroren oder an Erbrochenem erstickt. Der Portier der Nachtschicht, der den ausdrücklichen Befehl hatte, Penner vom Grundstück zu vertreiben, hatte vermutlich geschlafen oder Zeitung gelesen, so dass ihm der Mann, der vor dem Schneefall der letzten Nacht unter dem dürftigen Buschwerk Schutz gesucht hatte, nicht aufgefallen war. Der Junge schien zu spüren, dass er in Mallory so etwas wie eine Autoritätsperson vor sich hatte. »Ruft der Portier jetzt den Abdecker an wie bei dem Hund?«, fragte er.
    »Welchen Hund meinst du?«
    »Ich hab gesehen, wie einer einen Hund totgemacht hat. Da!«, sagte er mit Verschwörermiene und deutete auf den Gehsteig. »Ich war oben …«
    »Wie weit oben?«
    »Er wohnt im zehnten Stock«, schaltete die Kinderfrau sich ein. »Andauernd redet er von diesem Hund, dabei konnte er den unmöglich sehen, weil …«
    »Klar hab ich ihn gesehen! Ich war nämlich gar nicht im zehnten Stock! Das sagt sie bloß, damit meine Eltern nicht rauskriegen, dass ich ohne Aufsicht war «, sagte der Junge mit genüsslicher Betonung der letzten Worte, die er offenbar gerade erst als nützliches Werkzeug zur Erpressung der Kinderfrau entdeckt hatte.
    »Ich hab im dritten Stock an einem Flurfenster gestanden«, sagte er. »Und wie ich runterseh, macht da ein Mann gerade einen Hund tot.«
    »Wie denn?«
    »Erwürgt hat er ihn. Der Hund hat an der Leine gezerrt, das fand der Mann wohl nicht so gut, da hat er den Hund am Würgehalsband hochgenommen, und der Hund hat furchtbar gezappelt. Und dann hat er plötzlich aufgehört, da war er nämlich tot. Und dann hat der Mann ihm einen Tritt gegeben, dass er auf die Fahrbahn geflogen ist. Ich wollte ihn angucken gehen, aber der Portier hat mich nicht rangelassen. Den holt der Abdecker, hat er gesagt.«
    »Wann war das?«
    »Weiß nicht.«
    Mallory sah die Kinderfrau an. »Wann hat sich das abgespielt?«
    Die zuckte die Schultern. »Überhaupt nicht, wenn Sie mich fragen. Er denkt sich ständig solche Sachen aus.«
    »Ist nicht wahr, ist nicht wahr.« Der Junge trat wieder zu.
    »Ich könnte ja mal den Portier fragen«, sagte Mallory. »Oder seine Eltern.«
    »Es war am neunzehnten Dezember«, erinnerte sich die Kinderfrau plötzlich. »An dem Tag, als es geregnet hat.«
    Aber weder der Portier noch der Junge konnten den Hund beschreiben. Und Mallory wünschte sich wieder einmal eine Welt ohne Augenzeugen, weil die sowieso nichts sahen.
    Die Tür stand offen. Mallory setzte sich die Einkaufstüte auf eine Hüfte, zog den Revolver und betrat ihre Wohnung.
    Von der Diele aus sah sie, dass der Mann vom Empfang im Wohnzimmer stand und Angel Kipling die Tür zu dem begehbaren Kleiderschrank aufmachte.
    »Suchen Sie was?«
    Der Mann fuhr herum.
    »Entschuldigen Sie bitte die Störung, Miss Mallory, aber Mrs. Kipling meinte, aus dieser Wohnung einen Schrei gehört zu

Weitere Kostenlose Bücher