Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Der Mann, der die Frauen belog - Roman

Titel: Der Mann, der die Frauen belog - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: PeP eBooks
Vom Netzwerk:
tanzte.
    Im Schutz einer der Steinfiguren beobachtete Mallory den Mann auf der menschenleeren Plaza, der in der tiefstehenden Wintersonne einen blässlichen Schatten warf. Er sah auf die Uhr, dann setzte er sich auf den Rand des großen Brunnenbeckens. Sechs, sieben Meter über ihm erhob sich der Engel von Bethesda. Dem Wasser des biblischen Teichs Bethesda sagte man heilende Kräfte nach, aber einen schlimmen Finger wie Palanski, dachte Mallory, würde – Bibel hin, Bibel her – auch das wundertätigste Wasser nicht bessern. Wenn ihr Verdacht sich bestätigte, war das, was er trieb, eindeutig kriminell.
    Mallory hob das schöne alte Opernglas, das Charles ihr geschenkt hatte. Weil Opern sie anödeten, war sie froh, dass sie endlich eine nutzbringende Verwendung dafür gefunden hatte. Dass es mit kleinen Perlen und Edelsteinen besetzt war, interessierte sie weit weniger als die Stärke der Gläser, durch die sie jetzt sogar den Leberfleck auf Palanskis Wange erkennen konnte. Durch die dünne Wolkendecke warf die Sonne ein seltsam fahles Licht auf den großräumigen gepflasterten Platz. Nur hin und wieder hatte sie Kraft genug, um einen Schatten zu erzeugen, der von der nächsten Wolke gleich wieder ausgelöscht wurde.
    Dicht an Mallorys Beobachtungsposten kam eine Frau vorbei. Mallory wandte sich um und sah ihr nach. Sie war klein, höchstens ein Meter fünfzig, und hatte ratzerotes, hochtoupiertes Haar. Unter dem ledernen Minirock, der Berufskleidung der Straßenmädchen, sah man nackte, verfrorene Beine mit Einstichstellen in den Knien.
    Als sie an einer dekorativen Steinbank vorbei war, sah Mallory erneut durch ihr Glas.
    Eine Frau? Irrtum!
    Lidstrich, schwarz nachgezogene Augenbrauen und grellrot geschminkte Lippen waren nur Tarnung für ein Kindergesicht. Wie alt mochte sie sein? Zwölf? Dreizehn? Hellbraune Augen mit stumpfem Blick. Schweißnasses Gesicht, obwohl der Morgen kühl war und die knapp sitzende dünne Jacke kaum wärmen konnte.
    Mallory steckte das Opernglas ein. Wann hatte sich diese Babystricherin wohl den letzten Schuss gesetzt?
    Palanski stand auf, als die Kleine über den Platz kam. Sie hob die Hand zu einem matten Gruß.
    Über den Fußweg, den Palanski nicht einsehen konnte, ging Mallory rasch auf den Platz hinunter und um das Brunnenbecken herum.
    Die Kleine sah nicht nach rechts und nicht nach links. Mechanisch bewegte sie die Beine, während ihre Gedanken durchs Nichts trudelten und die Augen ins Leere blickten. Langsam ging sie auf Palanski zu, der schon den Köder aus der Tasche geholt hatte.
    Überraschend war die Sonne herausgekommen. Der bronzene Engel warf einen langen Schatten über das Brunnenbecken und das Pflaster, auf dem Mallorys Schritte widerhallten. Zwei Meter vor Palanski hatte sie die Kleine eingeholt, packte sie an einem mageren Arm und zeigte ihre Dienstmarke. Die Kleine wehrte sich nicht. So hatte sie es bei den älteren Schwestern vom Strich gelernt. Sich abgreifen zu lassen gehörte zum Geschäft.
    Palanski sah Mallory, die ruhig die Dienstmarke wieder einsteckte, aus angstgeweiteten Augen an und ging einen Schritt auf sie zu. Instinktiv fuhr ihre freie Hand ans Holster. Palanski erstarrte, nur sein Blick ging unruhig hin und her. Jetzt legt er sich eine Geschichte zurecht, um sich aus der Schlinge zu ziehen, dachte sie. Schon machte er den Mund auf, aber Mallory kam ihm zuvor: »Bemühen Sie sich nicht. Ich weiß genau, was hier gespielt wird.«
    Palanski drehte sich um, zögerte noch einen Augenblick, dann gab er sich einen Ruck und lief, immer schneller, über den Platz davon.
    Drei Plastikbeutel mit weißem Pulver schwammen im Brunnenbecken.
    »Lauf nur, lauf, du Arschloch!« Mallorys Stimme trug weit über die trostlose kalte Steinwüste, auf der sie mit einem blinden Engel aus Bronze und einem Kind mit verlorenen Augen allein geblieben war.
    Betty Hyde wartete, während Arthur einem älteren Mitbürger mit Hund, einer Dame mit Lebensmitteltüten und einem Managertyp mit Aktentasche die Tür aufhielt, und sah zu der Stelle hinüber, an der vor einem Monat Annie Franz von einem Betrunkenen überfahren worden war.
    Jetzt war an der Eingangstür zu den Coventry Arms Ruhe eingekehrt, und Arthurs beflissenes Lächeln galt allein ihr.
    »Guten Morgen, Miss Hyde.«
    »Guten Morgen, Arthur. Herrlicher Tag heute, nicht wahr?«
    Ein Fünfzig-Dollar-Schein aus Bettys Handtasche wechselte rasch den Besitzer – ein New Yorker Taschenspielertrick, den Ortsfremde leicht mit

Weitere Kostenlose Bücher