Der Mann, der kein Mörder war
war in jeder Hinsicht falsch, und das ist dir auch selbst klar. Jetzt ruft sie mich an und will, dass ich es ebenfalls erfahre. Droht damit, an die Presse zu gehen, wenn ich keine Konsequenzen ziehe. Du musst verdammt nochmal deinen Schwanz unter Kontrolle halten!»
Mit einem Mal hatte Sebastian Mitleid mit Torkel. Er hatte gegen den Willen der meisten seiner Mitarbeiter einen berüchtigten Unruhestifter in sein Team geholt. Bestimmt hatte er seinen Entschluss schon häufig rechtfertigen müssen, nicht zuletzt vor sich selbst. Ein Argument war sicherlich der Klassiker gewesen: Macht euch keine Sorgen, er ist jetzt anders, er hat sich wirklich verändert. Doch die Wahrheit war, dass er sich nicht verändert hatte, das wusste Sebastian. Die Menschen drehten sich ständig um die eigene Achse, sodass die Seiten, die sie von sich zeigten, zwar variierten – das Fundament jedoch blieb immer dasselbe.
«Stimmt. Aber als Clara und ich in diese intime Situation gerieten, hatte ich noch nicht bei euch angefangen, oder?» Torkel sah ihn an. Hatte keine Lust zu antworten.
«Ab sofort wird so etwas nicht mehr vorkommen», sagte Sebastian so ehrlich wie möglich und fügte hinzu: «Ich verspreche es.»
Als ob dieses Versprechen die Erinnerung an die nackte Beatrice von letzter Nacht vertreiben würde. Beatrice Strand, die Klassenlehrerin des Ermordeten. Deren Sohn Rogers bester Freund gewesen war. Wie man es auch drehte und wendete, da hatte er wirklich einen Fehler begangen. Herrgott, er war wirklich ein ziemlicher Trottel, das musste er sich selbst eingestehen.
Dass ich aber auch immer ausprobieren muss, an welcher Stelle man etwas kaputt machen kann.
Torkel sah ihn an, und eine Sekunde lang glaubte Sebastian, er würde ihn bitten, auf der Stelle zu gehen. Das wäre die richtige Entscheidung gewesen. Aber es dauerte, bis Torkel fortfuhr, aus einem für Sebastian unerklärlichen Grund zögerte er.
«Bist du sicher?», fragte er schließlich.
Sebastian nickte noch einmal, so ehrlich er konnte.
«Natürlich.»
«Du musst ja nicht gleich mit jeder Frau ins Bett, die dir über den Weg läuft.»
Plötzlich verstand Sebastian, was ihm vorher unbegreiflich erschienen war. Dabei war es eigentlich ganz einfach. Torkel mochte ihn. Sebastian beschloss, sich wenigstens zu bemühen. Irgendwie spürte er, dass Torkel es verdiente.
«Es fällt mir ein bisschen schwer, allein zu sein. Die Nächte sind am schlimmsten.»
Torkel begegnete seinem Blick.
«Eins musst du wissen. Du bekommst keine weitere Chance. Und jetzt hau ab, damit ich dich eine Zeitlang nicht sehen muss.»
Sebastian nickte und ging. Normalerweise wäre er jetzt aufgekratzt und hätte sich überlegen gefühlt. Er hatte sich erneut durchgemogelt. War noch einmal davonkommen.
«Du reitest mich in die Scheiße», hörte er Torkels Stimme hinter sich. «Und dort gefällt es mir nicht besonders.»
Hätte Sebastian eine Veranlagung zu Reue und schlechtem Gewissen gehabt, in diesem Moment hätte er beides verspürt. Immerhin begleitete ihn ein Anflug dieser Gefühle, als er zur Tür ging. Beatrice blieb ein einmaliger Ausrutscher. Das schwor er sich.
Das frischgeduschte Mädchen hatte aufgegeben, als Peter Westin zwanzig Minuten später immer noch nicht aufgetaucht war. Nach einer Weile hatte Vanja eine Runde ums Haus gedreht, um frische Luft zu schnappen. Ihr fiel es von Natur aus schwer, still zu sitzen, und sie nutzte die Gelegenheit, um ihre Eltern anzurufen. Die wollten gerade das Haus verlassen, aber ein bisschen Zeit zum Reden hatten sie trotzdem. Es war wie in guten, alten Zeiten. Erst sprach sie lange mit der Mutter und anschließend kurz mit dem Vater. Ihr Vater und sie brauchten erstaunlicherweise nicht so viele Worte, um das Gleiche auszudrücken. Nachdem sich in den letzten Monaten alles um Leben und Tod gedreht hatte, war nun wieder eine gewisse Portion Alltag in ihre Gespräche zurückgekehrt. Vanja merkte, wie sehr sie diese Normalität vermisst hatte. Als die Mutter eines ihrer Lieblingsthemen anschnitt – Vanjas Liebesbeziehungen beziehungsweise den Mangel an solchen –, lachte Vanja nur. Sie verteidigte sich zwar wie üblich, aber nicht mit derselben Inbrunst wie früher.
Hatte sie denn in Örebro niemanden kennengelernt?
Västerås. Und nein, für so was hatte sie neben der Arbeit keine Zeit.
Dieser sympathische Billy, mit dem sie zusammenarbeitete. Den mochte sie doch schon?
Ja, aber das wäre so, wie mit seinem eigenen Bruder ins
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