Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Mann, der kein Mörder war

Der Mann, der kein Mörder war

Titel: Der Mann, der kein Mörder war Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Hjorth , Rosenfeldt
Vom Netzwerk:
gekommen waren.
    «Man hat Blut gefunden. Viel Blut.»
    «Wer hat es gefunden?», erkundigte sich Ursula. Bisher handelte es sich lediglich um einen technischen Fund, und in diesem Fall war natürlich sie es, die die Fragen stellte.
    «Eine Frau namens Cia Edlund, die ihren Hund ausführte. Sie wartet dort drüben.»
    Sie setzten ihren Weg über den Fußballplatz fort und folgten dem Kollegen in den Wald. Schon nach wenigen Schritten endete der Platz an einer Schräge, und wenn man dort hinabging, war man vom Fußballplatz aus nicht mehr sichtbar, registrierte Vanja.
    Der Weg machte eine Linkskurve und führte zu einer kleinen Lichtung. Dort warteten zwei Personen, eine Polizistin, die um ein großes Quadrat herum Absperrband zog, und eine Frau um die fünfundzwanzig, die ein Stück entfernt mit einem Cockerspaniel stand.
    «Hier ist die Dame, die den Fund gemacht hat. Wir haben ihr bisher kaum Fragen gestellt, darum hatten Sie uns ja gebeten.»
    «Ich möchte mir gern zuerst den Fund ansehen», antwortete Ursula und setzte ihren Weg auf die Lichtung hinaus fort.
    Der Polizist zeigte auf einen Platz, der einige Meter vom Weg entfernt lag.
    «Von dort aus können Sie es sehen.»
    Ursula blieb stehen und bedeutete den anderen dort zu bleiben, wo sie waren. Vor sich sah sie das gelbe Gras des vergangenen Jahres platt auf dem Boden gedrückt. Darunter wuchs schon das neue, grüne, aber es war kürzer, lediglich ein Hauch von Grün in diesem blassgelben Meer. Dazwischen fanden sich jedoch Flecken rostroten Bluts. Im Zentrum der vereinzelten Flecken war etwas erkennbar, das aussah wie eine große Pfütze geronnenen Blutes.
    «Es sieht aus wie ein Schlachtplatz», entfuhr es der Polizistin, die das Absperrband befestigt hatte.
    «Möglicherweise ist es das auch», antwortete Ursula kühl, ging vorsichtig näher und hockte sich vor die Pfütze. Das meiste Blut war getrocknet, aber im Boden gab es einige Vertiefungen, die aussahen wie Fußspuren und von einer fast gallertartigen, roten Substanz ausgefüllt waren. Bildete sie sich das nur ein oder lag ein schwerer Eisenduft in der Luft? Ursula nickte den anderen zu.
    «Ich möchte eine Schnellanalyse davon machen, damit wir unsere Zeit nicht für irgendeinen armen Hirsch vergeuden, der hier möglicherweise sein Leben lassen musste. Es wird ein paar Minuten dauern.»
    Sie öffnete ihre weiße Tasche und machte sich ans Werk. Torkel und Sebastian gingen zu der Hundehalterin. Die Frau sah sie müde an, als hätte sie lange dort gestanden und darauf gewartet, dass sich endlich jemand ihre Geschichte anhörte.
    «Almira hat es entdeckt. Ich glaube, sie hat davon getrunken …»
     
     
    Als Lena ihre Wohnung betrat und die Tür hinter sich schloss, wurde sie von der Anspannung eingeholt. Sie sank im Flur auf den Fußboden und hatte keine Kraft mehr, auch nur einen Schritt weiterzugehen. Draußen, unter Menschen, war es leichter, die Maske zu wahren. Dort konnte man sich zusammenreißen, seinen Blick auf etwas anderes richten und drauflos marschieren. Etwas vorspielen. Zu Hause war es schwieriger, nahezu unmöglich. Als sie inmitten von Schuhen und Plastiktüten auf dem Boden saß, fiel ihr Blick auf ein altes Schulfoto von Roger, das sie vor Ewigkeiten aufgehängt hatte. Es war das erste, was man ihr nach Hause geschickt hatte, in der ersten Klasse aufgenommen. Roger trug darauf einen blauen Tennispullover und lächelte in die Kamera, wobei zwei Zahnlücken sichtbar wurden. Sie hatte das Bild schon lange nicht mehr betrachtet. Als sie in diese Wohnung gezogen waren, hatte sie es aufgehängt, allerdings ein wenig zu nah bei der Garderobe, sodass es von Jacken und Winterkleidung oft verdeckt wurde. Als Roger dann älter wurde, besaß er immer mehr Jacken, die immer größer wurden, und sie hatte lange nicht mehr an das Bild gedacht. Es war ein merkwürdiges Gefühl, es nun zu entdecken. Jahrelang zwischen Kleidern versteckt und vergessen. Jetzt würden keine neuen Jacken mehr hinzukommen, die Roger weiterhin versteckten. Er würde dort sitzen und sie zahnlos anlächeln, solange sie lebte. Stumm, ohne zu altern. Mit einem Blick voller Leben.
    Es klingelte an der Tür. Lena kümmerte sich nicht darum. Dieser Augenblick war wichtiger.
    Doch sie hatte vergessen, die Tür abzuschließen, wie sie erst bemerkte, als jemand hereinkam. Sie sah ihn an. Am merkwürdigsten an dieser Situation war nicht, dass er auf einmal in ihrer Wohnung vor ihr stand. Nicht einmal die Verzweiflung in seinen

Weitere Kostenlose Bücher