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Der Mann, der kein Mörder war

Der Mann, der kein Mörder war

Titel: Der Mann, der kein Mörder war Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Hjorth , Rosenfeldt
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kleines, schadenfrohes Grinsen nicht verkneifen. Ragnar Groth musste mit sich kämpfen, um seine Verachtung zu verbergen, als er antwortete.
    «Es ist kein Geheimnis, dass unser Renommee eines unserer wertvollsten Güter ist.»
    Vanja schüttelte nur verständnislos den Kopf.
    «Und deshalb zeigen Sie Straftaten, die an der Schule begangen werden, nicht an?»
    «Es ging doch nur um den illegalen Handel mit Alkohol. In kleinen Mengen. Natürlich hat er ihn an Minderjährige verkauft, aber trotzdem. Axel hätte vielleicht eine Geldstrafe erhalten, nicht wahr? Wenn überhaupt.»
    «Vermutlich, aber darum geht es nicht.»
    «Nein!», Groth unterbrach sie mit schneidender Stimme. «Es geht darum, dass der Vertrauensverlust der Eltern mich einiges mehr gekostet hätte. Es geht darum, Prioritäten zu setzen.» Er stand auf, knöpfte sein Sakko zu und ging zur Tür. «Wenn das alles war – ich habe jetzt zu tun. Aber Sie können Axel Johanssons Adresse im Sekretariat erfragen, wenn Sie mit ihm sprechen möchten.»
     
     
    Sebastian stand im Gang vor dem Sekretariat und wartete auf Vanja. An der ganzen Wand hingen schwarz-weiße Porträtaufnahmen von früheren Rektoren und Lehrern, die sich so verdient gemacht hatten, dass sie von späteren Generationen in Erinnerung behalten werden sollten. Inmitten dieser Fotogalerie hing ein einziges Ölgemälde. Von Sebastians Vater, in voller Größe. Er stand an einem Pult, das mit Symbolen vollgestellt war, die den Betrachter an klassische Erziehungswerte denken lassen sollten. Das Gemälde war aus einer leichten Froschperspektive angefertigt, sodass Ture Bergman ständig auf seine Betrachter herabsah. Was ihm garantiert sehr gut gefiel, dachte Sebastian. Auf alles und alle herabzusehen, verurteilend, aus einer hervorgehobenen Position heraus.
    Sebastian ließ seine Gedanken weiterwandern. Wie war er selbst als Vater gewesen, in den vier Jahren, in denen er Sabine bei sich haben durfte? Die Antwort war wohl: Es geht so.
    Oder besser: Er war ein so guter Vater gewesen, wie er konnte, aber es hatte eben nur zu einem «Es geht so» gereicht. Wenn Sebastian in schweren Stunden an seiner Fähigkeit als Vater gezweifelt hatte, dann hatte er sich damit beruhigt, dass ihr Verhältnis eigentlich so war, wie Sabines Einstellung zum Fernsehen: Die Qualität des Gezeigten spielte überhaupt keine Rolle. Solange es bunt war und sich etwas auf dem Bildschirm bewegte, war sie zufrieden. War es mit ihm dasselbe? Mochte Sabine ihn ganz einfach aus dem Grund, weil er ihr am nächsten war, ohne Qualitätsansprüche? Er hatte mit seiner Tochter viel Zeit verbracht, mehr als Lily. Das hatte nichts mit einem bewussten Gleichberechtigungsanspruch zu tun gehabt, es war eher das Ergebnis ihres Alltags gewesen. Sebastian hatte oft zu Hause gearbeitet, war kurze, intensive Zeiträume an anderen Orten tätig gewesen, hatte dann lange frei gehabt und schließlich wieder zu Hause gearbeitet. Anwesend, ja, das war er gewesen. Dennoch hatte Sabine bei Lily Zuflucht gesucht, wenn ihr etwas passiert war. Immer zuerst bei Lily. Das musste doch etwas zu bedeuten haben. Sebastian weigerte sich zu glauben, dass so etwas in den Genen lag. Dass man eine Mutter ganz einfach nicht ersetzen konnte, wie manche Frauen in ihrem Umfeld behauptet hatten, war reiner Nonsens. Also hatte er sich selbst einer kritischen Prüfung unterzogen. Was gab er seiner Tochter eigentlich, abgesehen von dem Gefühl der Geborgenheit, der Gewissheit, dass immer jemand bei ihr war? Sebastian fand nicht, dass die ersten Jahre mit Sabine besonders speziell oder – wenn er ganz ehrlich war – besonders lustig gewesen waren. Oder doch, speziell schon. Verwirrend. Er hatte von vielen gehört, die sich einredeten, es würde sich nichts verändern, wenn sie Eltern würden. Sie würden ihr Leben so weiterleben wie bisher, nur dass sie nun eben Eltern wären. So blauäugig war Sebastian nicht gewesen. Er wusste, dass er gezwungen war, sein gesamtes Leben zu verändern. Alles, was er war. Und er war dazu bereit gewesen. Auf diese Weise waren sie natürlich speziell gewesen, diese ersten Jahre, aber nicht sonderlich bereichernd. Um es extrem auszudrücken: Sabine hatte ihm in den ersten Jahren zu wenig gegeben. Das hatte er zumindest damals gedacht. Jetzt würde er alles darum geben, diese Jahre zurückzubekommen.
    Es war mit der Zeit besser geworden, das musste er zugeben. Besser, je älter sie wurde. Er hatte das Gefühl, dass sich ihre Beziehung

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