Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Mann, der kein Mörder war

Der Mann, der kein Mörder war

Titel: Der Mann, der kein Mörder war Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Hjorth , Rosenfeldt
Vom Netzwerk:
ihre Zigarette aus und blies den letzten Rauch aus ihren Lungen.
    «Er war verheiratet. Er hatte schon andere Kinder. Eigene Kinder.»
    «Wie heißt er?»
    «Rogers Vater?»
    «Ja.»
    «Jerry.»
    «Angenommen, Jerry hätte Roger irgendwann aufgesucht, später, als er größer war. Was glauben Sie, wie Roger reagiert hätte?»
    Vanja blickte ihn verblüfft an. Was hatte Sebastian eigentlich vor? Das führte doch zu rein gar nichts.
    «Wie hätte er das tun sollen? Er wusste doch nicht einmal, dass der Junge existierte.»
    «Aber wenn.»
    Vanja legte vorsichtig ihre Hand auf Sebastians Arm, um seine Aufmerksamkeit zu erlangen.
    «Das ist doch eine rein hypothetische Überlegung, die nicht wirklich hierhergehört, oder?»
    Sebastian hielt inne. Er spürte Vanjas verwunderten Seitenblick.
    «Das stimmt … Ich …» Zum ersten Mal seit langem wusste Sebastian nicht, was er sagen sollte, deshalb wiederholte er sich nur: «Das stimmt.»
    Es wurde still. Sie erhoben sich und betrachteten ihren Besuch als beendet. Sebastian ging Richtung Flur, Vanja folgte ihm. Lena machte zunächst keinerlei Anstalten, aufzustehen und sie hinauszubegleiten. Als sie gerade den Flur betreten wollten, rief ihnen Lena jedoch hinterher.
    «Rogers Uhr.»
    Sebastian und Vanja drehten sich zu ihr um. Vanja wurde den Eindruck nicht los, dass mit der Frau in dem zerschlissenen Sessel etwas nicht stimmte. Etwas, das sie nicht richtig benennen konnte.
    «Was ist damit?»
    «Die Journalistin, mit der ich gesprochen habe, sagte, dass Lundin Roger eine Uhr weggenommen hat, bevor er ihn umbrachte. Eine wertvolle Uhr. Die gehört dann jetzt wohl mir?»
    Vanja tat wieder einen Schritt in den Raum hinein. Etwas verwundert darüber, dass Lena nicht Bescheid wusste. Normalerweise informierte Torkel die Angehörigen immer sehr genau.
    «Momentan deutet alles darauf hin, dass Leonard Lundin nichts mit dem Mord an ihrem Sohn zu tun hat.»
    Lena nahm die Information so ungerührt auf, als hätte Vanja gerade berichtet, was sie zu Mittag gegessen hatte.
    «Okay, aber die Uhr gehört doch wohl trotzdem mir?»
    «Vermutlich ja.»
    «Dann hätte ich sie gern.»
     
     
    Sebastian und Vanja waren im Auto unterwegs zum Präsidium, um dort den Arbeitstag zu beschließen. Vanja fuhr schnell. Zu schnell. Sie spürte einen Klumpen der Wut im Bauch. Lena hatte sie provoziert. Normalerweise ließ Vanja sich nur äußerst selten provozieren. Das war eine ihrer Stärken: die Fähigkeit, kühl und distanziert zu bleiben. Aber Lena ging ihr an die Nieren. Sebastian hatte das Handy am Ohr. Vanja lauschte einem Teil des Gesprächs. Er telefonierte mit Lisa. Nach einer abschließenden Frage, wie es zu Hause so lief, und einer offenbar kurzen Antwort beendete er das Telefonat und steckte sein Handy in die Tasche.
    «Lisa hat Roger dafür bezahlt, dass er ihren Freund spielt.»
    «Das konnte ich heraushören.»
    «Nicht gerade Riesensummen, die seine Einkäufe gedeckt hätten, aber es ist immerhin ein Anhaltspunkt. Er war geschäftstüchtig.»
    «Oder gierig. Es scheint in der Familie zu liegen, immer nur Geld im Kopf zu haben. Ihr Sohn wurde gerade ermordet, und sie denkt nur ans Geldeintreiben.»
    «Aus der Situation Vorteile zu ziehen, ist auch eine Art, mit dem Schmerz fertigzuwerden.»
    «Eine miese Art.»
    «Vielleicht kann sie nicht anders.»
    Typisch Psychologe. Immer verständnisvoll. Alle Reaktionen sind natürlich. Es gibt für alles eine Erklärung. Aber so leicht wollte Vanja Sebastians Erklärung nicht hinnehmen. Sie war wütend, und sie hatte keine Skrupel, ihre Wut auch an ihm auszulassen.
    «Jetzt mal ehrlich. Ihre Augen waren ein bisschen gerötet von dem ganzen Qualm. Ich würde wetten, dass sie noch nicht mal geweint hat, nichts! Ich habe Menschen gesehen, die unter Schock standen, aber sie ist anders. Sie ist einfach gleichgültig.»
    «Ich hatte das Gefühl, dass sie keine Verbindung zu den Gefühlen hat, die wir von ihr erwarten. Trauer. Verzweiflung. Vielleicht nicht einmal Empathie.»
    «Und warum nicht?»
    «Woher soll ich das denn wissen? Ich habe sie gerade mal fünfundvierzig Minuten erlebt. Wahrscheinlich hat sie sie einfach abgestellt.»
    «Man kann seine Gefühle doch nicht einfach ‹abstellen›.»
    «Nicht?»
    «Nein.»
    «Hast du noch nie von Menschen gehört, die so sehr von einer Person verletzt wurden, dass sie sich nie wieder an jemand Neues binden?»
    «Das ist aber doch ein Unterschied. Ihr Kind ist ermordet worden. Warum sollte man sich

Weitere Kostenlose Bücher