Der Mann, der mein Leben zum Entgleisen brachte
nicht geweckt.“
„Nein, ich arbeite oft noch um diese Zeit am Schreibtisch. E inen recht schönen Tag Ihnen jedenfalls, Herr Frank Fercher. Wie geht es Ihrer Familie?“
Ich erinnere mich noch genau an diese ersten paar Sätze des Pfa rrers, denn ich wunderte mich über zwei Besonderheiten daran: die Frage nach meiner Familie – ich wusste damals nichts von den Umgangsformen deutscher Volksgruppen aus dem Osten, bei denen die Familie an erster Stelle kam. Und ich erkannte den Dialekt, obwohl er mir fremd klang. Ich kannte ihn von meinem Gegner.
„Meiner Familie und mir geht es nicht so gut, und das ist auch der Grund, warum ich anrufe.“
„Tut mir sehr leid, das zu hören, Frank Fercher. Ist es die Gesundheit?“
„Nein, es ist jemand, der uns bedroht. Kennen Sie einen ju ngen Mann mit schwarzen Haaren, sehr bullig, dem der rechte Daumen halb fehlt?“
„Jaja, den kenne ich gut, das ist der Peter Honkes. Und Sie h aben ein Leiden mit ihm?“
„Wir haben sogar große Schwierigkeiten.“
„Wenn Sie in Schwierigkeiten mit Peter Honkes sind, nehmen Sie sich in acht. Der kann gefährlich werden.“
„Ich dachte, Sie könnten mir vielleicht etwas über ihn erzä hlen.“
„Da weiß ich gar nicht, wo ich anfangen soll. Er hat bei mir richtig deutsch sprechen gelernt, weil das sonst im Dorf keiner mehr so gut kann, seine Mutter überhaupt nicht. Er wollte immer nach Deutschland, weil alle Leute reich dort sind. Als er alt g enug war, sich an hilfreiche Stellen zu wenden deswegen, wollte er, wie sagen Sie, ein Zeichen machen...?“
„Eine Mutprobe ablegen?“
„Ganz genau, eine Mutprobe ablegen. Das ist die Geschichte mit dem Daumen. Man sagt, er hat ihn sich selbst abgebissen und ihn dann verschluckt, was ich nicht glaube letzteres. Aber abgebissen kann schon sein oder zumindest selbst abgeschnitten. Warum haben Sie zu tun mit Peter Honkes?“
„Weil ich einem Polizisten geholfen habe, ihn zu verhaften.“
„Oh, ich glaube, das hätten Sie nicht tun dürfen. War sehr gefährliche Idee.“
„Das weiß ich inzwischen auch, aber ich habe einen Plan, bei dem Sie mir vielleicht helfen könnten.“
„Ich will es gern versuchen, wenn Sie mir den Plan verraten.“
„Der Plan ist, ihm einen Anreiz zu geben, nach Kasachstan zurüc kzugehen. Ich möchte seiner Familie Geld schicken zu seinen Händen, das er sich dann abholen soll. Wenn er erst mal aus Deutschland draußen ist, wird es vielleicht gar nicht mehr so leicht sein für ihn, wieder einzureisen.“
„Das ist ein ziemlich erfolgloser Plan, Frank Fercher. Seine Mu tter wird kein fremdes Geld annehmen.“
„Und wenn ich das Geld Ihnen schicke?“
„Ich weiß doch gar nicht, wie er zu erreichen ist.“
„Könnten Sie das nicht über seine Mutter herausfinden?“
„Vielleicht schon, aber...“
„Ich schicke Ihnen sehr viel Geld, und die Hälfte davon dü rfen Sie für Ihre Kirche behalten. Was sagen Sie? Geben Sie mir einfach Ihre Adresse...“
„Oh, wenn Sie Geld mit Post schicken, wird es nie hier anko mmen.“
„Oder vielleicht überweisen?“
„Sie könnten es schicken mit Hilfstransport. Startet bald wieder in Hansestadt Bremen, was bestimmt nicht weit weg ist von Ihrer Stadt, Frank Fercher.“
„Doch, das sind über 600 Kilom eter.“
„Na also, sehen Sie, nicht weit weg. In Bundesrepublik Deutsc hland alles ist nicht weit weg. Name von Kollege, der den Hilfstransport leitet, ist Pastor Pirmin Petrowna. Er ist Wolgadeutscher wie ich, lebt schon lange in Hansestadt Bremen und ist ein sehr ehrlicher Mensch. Ich kann Ihnen die Telefonnummer geben.“
Er legte den Hörer beiseite, ich hörte es rascheln, dann diktie rte er mir eine Nummer.
„Rufen Sie mich an, wenn alles auf den Weg gebracht ist, und g eben Sie gut acht auf Ihre Familie.“
„Danke.“
„Ach, und am besten, ich schicke Ihnen das Geld danach auch wieder über Pirmin zurück mit dem nächsten Hilfstransport ein halbes Jahr später.“
„Wieso denn zurück?“
„Weil Ihr Plan nicht klappen wird. Ich tue Ihnen gerne den Gefallen, es zu versuchen, aber der Peter wird ganz sicher nicht drauf eingehen.“
Jürgen Rogalla warnte mich eindringlich, das Geld per Hilfstransport nach Kasachstan zu schicken. Ich solle noch abwarten. Jetzt, da er mit einem Namen arbeiten könne, werde es ihm leichter fallen, bei seinen Recherchen etwas zu erreichen. Was das sein könnte, ließ er offen.
Ich war ebenso irritiert und verunsichert wie hoffnungsfroh g
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