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Der Mann, der mein Leben zum Entgleisen brachte

Der Mann, der mein Leben zum Entgleisen brachte

Titel: Der Mann, der mein Leben zum Entgleisen brachte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Manfred Köhler
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Ihren polierten Fingernägeln angesehen. Lassen Sie ihn laufen, hat er gewonnen, und stellen Sie sich stur, dann schaut er halt, was sich aus Ihnen als Opfer machen lässt, und beschafft sich gleich mal Ihre Adresse.“
    „Na und? Es gibt viele Leute mit Geld in unserer Stadt, und die wo hnen alle in meinem Viertel hier. Er hätte längst bei denen einbrechen oder die um Geld angehen können, wenn das seine Masche wäre.“
    „Der Unte rschied ist, dass er über Sie nun ein kleines bisschen mehr weiß als über andere reiche Leute. Und dass er ein bisschen mehr Grund hat Ihnen zu schaden als anderen. Ich sage Ihnen, als der das erste Mal hier war, wusste er noch gar nicht, was er machen würde. Er hat sich bei Ihnen mal umgeschaut, Ihren Charakter abgeklopft, den Ihrer Frau – er sammelt Informationen über Sie, er macht sich ein Bild.“
    „Und dann?“
    „Dreht er sein Ding mit Ihnen, wenn es ihm lohnend erscheint, oder macht was ganz anderes oder die Polizei hat ihn längst am Wickel. Vielleicht bekommen Sie auch mal nur eine Tracht Prügel. Oder es reicht ihm schon, dass Sie von jetzt an ständig damit rechnen.“
    „Das gefällt mir nicht, dass ich einfach nur abwarten soll, was der ausheckt.“
    „Kann ich mir vorstellen. Ich werd mich nebenher ein bisschen umhorchen.“
    „Warum sind Sie gegen meinen Plan, ihn nach Kronsweide zurückzulo cken?“
    „Ich bin ja nicht dagegen. Ich sage nur, dass d abei nichts rauskommt.“
    „Wieso?“
    „Erstens, selbst wenn seine Familie noch dort lebt und Sie Kontakt zu ihr bekommen, wird die ihn nicht verpfeifen. Zweitens haben die von der kasachischen Steppe aus null Möglichkeiten, irgendwie Einfluss auf ihn zu nehmen, selbst wenn sie das wollten. Und drittens: Niemals würde der dorthin zurückfahren, um sich Geld abzuholen, das ist absurd. Und erst recht nicht würde er dort bleiben. Der spielt nach seinen Regeln, nicht nach Ihren.“
    Für mich hatte sich der Plan ohnehin erledigt. Die Frau von der Au slandsauskunft hatte zwei Tage lang nicht zurückgerufen. Und ohne einen Anlaufpunkt in Kronsweide konnte ich nichts machen.
     
    Drei Tage später rief sie doch noch an und gab mir die Nummer des Pfarramtes von Kronsweide durch. Ich war wie elektrisiert und machte für den Rest des Tages nichts anderes als diese Nummer zu wählen. Es war immer besetzt. Wahrscheinlich kam ich nicht mal nach Kasachstan durch.
    Ich weiß nicht, wie oft ich in den nächsten Tagen die Nummer wäh lte, es müssen Hunderte von Malen gewesen sein. Hing ich nicht gerade am Telefon, nahm ich bei Rogalla Privatunterricht in Karate; den anderen Kurs, bei dem ich mich angemeldet hatte, ließ ich sausen. Wir begannen mit den üblichen Schlägen und Griffen zur Selbstverteidigung bei Angriffen, Handkante gegen die Halsschlagader, Daumen umbiegen und so weiter, aber auch Ausdauerübungen. Ich tat mir leicht mit dem Training, durch tägliches Schwimmen und Laufen war ich damals in Topform, und schon bald wollte ich mehr.
    Ich wollte wenigstens erahnen, in welcher mentalen Verfa ssung man zu sein hatte, um Kunstfertigkeiten zu beherrschen wie die mit den Essstäbchen. Doch so intensiv ich es auch übte, ich gelangte nicht mal dahin, das windige Plastikteil in einer pfeilgeraden Flugbahn ankommen zu lassen, ganz zu schweigen davon, einen bestimmten Punkt zu treffen. Das Ding drehte sich und driftete im Wurf, ich wurde ungeduldig, kam mir unzulänglich vor und verlor bald die Lust.
    Um so ausdauernder wählte ich die Nummer des Pfarramtes. Meist ve rsuchte ich es von zwölf bis zwei Uhr nachts und dann, sofern ich früh genug wach war, bis zehn Uhr vormittags. Acht bis neun Stunden Zeitverschiebung und bundesdeutsche Bürozeiten berücksichtigt, schienen mir das die einzig realistischen Stunden, jemanden zu erreichen. Immer war belegt. Nach ein paar Tagen wurde ich des Wählens und der ständigen Besetztzeichen müde. Es war das Kribbeln in meinem Arm, das mich durchhalten ließ. Ich ging dazu über, es zu allen Tageszeiten zu versuchen.
    Zwei weitere Tage später war gegen fünf Uhr nachmittags die Le itung frei – weit nach Mitternacht dort. Nach zweimaligem Läuten wurde abgehoben.
    „Pastor Justus Näb, Pfarrei Kronswe ide.“
    „Bin ich... in Kasachstan?“, fragte ich, verblüfft über den kl aren, lauten Klang der Stimme am anderen Ende der Leitung.
    „Durchaus. Wer ruft mich an?“
    „Frank Fercher, ich spreche aus der Bundesrepublik Deutschland zu ihnen. Hoffentlich habe ich Sie

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