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Der Mann, der mein Leben zum Entgleisen brachte

Der Mann, der mein Leben zum Entgleisen brachte

Titel: Der Mann, der mein Leben zum Entgleisen brachte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Manfred Köhler
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Engagement.
    „Ach, Sie sind der mit der dringenden Sendung für Justus Näb“, sagte er nur, und mein Besuch schien ihm so richtig l ästig zu sein. „Na, ich will sehen, ob ich es noch unterbringe.“
    „Es wäre ungeheuer wichtig, dass das Paket wirklich gleich bei der nächsten Hilfslieferung mit dabei wäre“, sagte ich, zog e inen Briefumschlag aus meiner Jackett-Tasche und legte ihn auf den Schreibtisch des Pastors.
    „Ich will bloß hoffen, dass kein Geld in diesem Umschlag steckt.“
    „Na ja, also...“
    „Nehmen Sie Ihren Umschlag und Ihr Paket und verschwinden Sie.“
    Mir schoss das Blut ins Gesicht.
    „Was haben Sie gegen eine Spende für Ihre gute Sache?“
    „Gar nichts, sofern sie korrekt auf unser Spendenkonto eingezahlt wird.“
    „Verstehe.“
    Ich steckte meinen Umschlag wieder ein und dazu eines der Flugblätter vom Schreibtisch des Pastors, auf denen seine Hilfslieferungs-Aktion erklärt und die Nummer des Spendenkontos aufgedruckt war.
    „Ich werde das Geld einzahlen. Aber mein Paket lasse ich hier. Sie würden auch Ihrem Freund Justus Näb einen großen Gefallen tun, wenn Sie es mi tnehmen. Rufen Sie ihn an, wenn Sie mir nicht trauen. Oder machen Sie damit, was Sie wollen. Auf Wiedersehen.“
    Er sagte kein Wort mehr, und ich verließ den Raum. Auf dem Weg zurück nach Hause geriet ich in eine Stimmung, mich in das zu e rgeben, was folgen würde. Ich war durch die bloße Tatkraft meines Vaters zu dem Weltbild erzogen worden, alles im Leben lenken zu können, und hatte immer darunter gelitten, dass ich, im Gegensatz zu ihm, dazu nur in den seltensten Fällen in der Lage war, auch und gerade, wenn ich mich noch so anstrengte. Nun verschaffte es mir tiefe Erleichterung, mich zurückzulehnen und zu denken: Ich habe getan was ich konnte – wie es nun weitergeht, ist Schicksal, und ich bin bereit, es zu nehmen, wie es kommt.

Kapitel 4
     
    Nachdem mein Leibwächter ausgezogen war und mir nichts zu tun blieb als abz uwarten, überkam mich ein starkes Bedürfnis, mich mit der Bücherei meines Vaters zu befassen. Ich fand darin manches Werk, das, jeweils aus Sicht des Unternehmers, zum Inhalt hatte, warum Menschen in bestimmten Situationen auf bestimmte Art handeln.
    Noch immer suchte ich nach einer Erklärung dafür, dass ich an j enem Tag im CbT eine fremde, abstoßende und doch faszinierende Welt in mein ebenso geordnetes wie langweiliges Leben gelassen oder vielleicht sogar mit unbewusstem Vorsatz geholt hatte. Literaturvermerke in den Büchern führten mich in die Bibliothek und in die Buchhandlungen, und schließlich stieß ich in einem der Bände, die ich dort gekauft hatte, auf einen Absatz, der mich den Vorfall in einem neuen Licht sehen ließ. In dem auf Tatsachen beruhenden Fallbeispiel ging es um eine Frau, die von einem Verrückten durch eine belebte Straße gehetzt und umgebracht worden war, ohne dass einer der Gaffer eingegriffen oder wenigstens die Polizei gerufen hätte, obwohl die Frau um Hilfe geschrien hatte. Untersuchungen des Falls führten zu dem Schluss: Hilfe hat nichts mit Edelmut zu tun. Menschen helfen mit geringerer Wahrscheinlichkeit, je eiliger sie es haben, und sie greifen grundsätzlich nicht ein, wenn auch andere Menschen herumstehen und eingreifen könnten. Jeder rechtfertigt sich dann: Warum soll ich, wenn auch einer der anderen könnte? Wäre die Frau auf einen der Gaffer zugegangen, hätte ihn gepackt und ihn ganz persönlich angesprochen: Sie mit Ihren grünen Hosen und Ihrer schwarzen Jacke, helfen Sie mir! – er hätte wohl geholfen.
    Genau das war mir passiert. Ich war dem Polizisten nicht zur Se ite gestanden, weil ich Räuber und Gendarm spielen wollte oder von Natur aus ein recht hilfsbereiter Mensch gewesen wäre – ich hatte geholfen, weil ich gerade nicht in Eile war und weil der Polizist mir in die Augen geschaut, weil er den richtigen Knopf in mir gedrückt hatte. Ich fing an, daran zu zweifeln, ob mein freier Wille überhaupt irgendeinen Einfluss auf das hatte, was sich in meinem Leben abspielte.
    Es liegt kein Widerspruch darin, dass ich nie aktiver und gesta lterischer war als in jenen Tagen, da ich mehr und mehr glaubte, die Figur in einem Film zu sein, dessen Drehbuch bis zum letzten Atemzug schon feststand – ich erprobte die Annahme an der Wirklichkeit.
    Von Büchern zum Thema Schicksal gelangte ich zu Inhalten wie P olarität, Ganzheit, Krankheit und Heilung. Darin verfing ich mich, es ergaben sich Zusammenhänge: meine

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