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Der Mann, der mein Leben zum Entgleisen brachte

Der Mann, der mein Leben zum Entgleisen brachte

Titel: Der Mann, der mein Leben zum Entgleisen brachte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Manfred Köhler
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Widerstandskraft, meine Seelenverwandtschaft zu Pflanzen, eine Ahnung davon, worin das Wesen von Heilkraft bestehen könnte, meine Achtung vor jeglichem Leben, meine Antenne für den Tod. Ich sprach mit Naturheilkundlern, begann mich für Heilpflanzenanbau zu interessieren, suchte bei langen Wanderungen über unser Grundstück nach geeigneten Abschnitten, um im nächsten Frühjahr Beete anzulegen. Ich kaufte Samen und Knollen ein. Anfang Dezember meldete ich mich für Ende Januar bei einem Seminar über homöopathische Potenzierungstechniken an.
    Ich sollte nie dazu kommen, es zu besuchen.
    Während der Tage, in denen es auf Weihnachten zuging, hatte ich immer öfter und vertrauensvoller mit Melanie telefoniert, und Mitte Dezember kündigte sie an, mit Mirko über die Feiertage zu Besuch zu kommen. Sie sprach ausdrücklich von einem Besuch und nicht von einer Rückkehr, aber für mich stand die Möglichkeit, sie könnte danach wieder abreisen, außer Frage.
    Auch Silke ließ sich wieder regelmäßig sehen, um das Haus in Schuss zu halten, sie mochte den Job, und sie brauchte ihn. Wir sprachen wieder wie a lte Freunde miteinander, und so kehrte, wenn auch auf anderer Ebene, Normalität zurück in mein Leben.
    Gelegentlich hatte die Pol izei angerufen, reine Routine. Auch Sasse hielt Kontakt, und mit Jürgen Rogalla pflegte ich eine Art Bekanntschaft. Er hatte seine Nachforschungen ergebnislos eingestellt, was mich beruhigte und glauben ließ, die Sache sei ausgestanden. Der beste aller Fälle war eingetreten: Peter Honkes hatte sich offenbar andere Opfer gesucht.
    Dass mein rechter Arm aufhörte, mich mit dem höllischen Ameise nkribbeln und anhaltender Taubheit in den Fingerspitzen zu quälen, bemerkte ich nicht einmal, und ich war sogar unempfänglich für den Umstand, dass sich durch meine neue Aufgabe mein Leben sehr zum Positiven verändert hatte; vielmehr sah ich es so, dass eine vorübergehende Störung ohne Folgen beseitigt sei.
    Am 17. Dezember heulte kurz nach vier Uhr morgens die Alarma nlage los. Ich stieß einen Urschrei aus, sprang aus dem Bett, machte Licht und stürmte zur Haustür. All die Wochen, in denen ich mit einem Überfall durch Peter Honkes gerechnet hatte, erwartete ich, was mich betraf, helle Panik und unkontrollierte Angstreaktionen. Ich betrachtete mich als die Maus, die in der Sackgasse ihres Tunnels einen Schlangenkopf auf sich zukommen sieht.
    Statt de ssen ging ich zum Frontalangriff über, machte in allen Räumen mit Außenwänden Licht und war dabei in einer Verfassung, den Eindringling zu finden und ihm sofort an die Gurgel zu gehen. Diese Reaktion kam aus den tiefsten Tiefen meiner Seele, was mich erstaunte: So bin ich also, dachte ich, tatsächlich ein Kämpfer – und zugleich war ich mir völlig klar darüber, dass das Adrenalin mich auf die Beine gestellt und in den Angriff geschickt hatte und nicht etwa ein Heldenmut, für den ich mich grundsätzlich hätte rühmen können.
    Doch es gab keinen Eindringling.
    Noch ehe die Polizei eintraf, hatte ich bei Rogalla angerufen, und der war kurz nach dem Streifenwagen zur Stelle. Die Polizei diagnostizierte blinden Alarm, mein reaktivierter Leibwächter vermutete den Einbruchsversuch eines Kleinkriminellen, aber für die folgenden Nächte schlug er wieder sein Lager bei mir auf, und er ging mit wütendem Eifer daran, gezielter als vorher in der Auslandsdeutschen-Szene unserer Stadt zu recherchieren.
    Ich war aufgekratzt und innerlich zerrissen wie selten. Ich wol lte so gerne glauben, es sei nichts gewesen als falscher Alarm, weil ich es kaum erwarten konnte, Frau und Sohn um mich zu haben und das schönste Weihnachtsfest aller Zeiten mit ihnen zu feiern; und ich verfluchte mich als elenden Egoisten dafür, Melanie deswegen den Vorfall zu verschweigen.
    Nach zwei Tagen der Gewissensnot war ich so weit, den Ort uns eres Weihnachtsfestes zu verlegen. Melanie hatte, nur wenige Kilometer entfernt vom Internat unseres Sohnes, ein hübsches Häuschen angemietet. Ich wusste das, weil sie mir Fotos geschickt hatte. Wir hätten dort genauso feiern können, aber in mir nagte die Angst, eine Chance damit zu vertun und die Trennung zu zementieren.
    Ich war im Gespräch mit Melanie und kurz davor, mit der Wah rheit herauszurücken, da stürmte Rogalla ins Zimmer und gab mir aufgeregt Zeichen. Ich versprach, gleich zurückzurufen, und legte auf.
    „Klasse Neuigkeiten“, sprudelte er los, „unser Honki ist defin itiv nicht mehr in der Stadt. Ich

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