Der Mann, der mein Leben zum Entgleisen brachte
weiß es aus zuverlässiger Quelle. Hat verkündet, ihm sei da die Riesen-Chance seines Lebens in den Schoß gefallen und er müsse zurück in die Heimat. Er kann das mit dem Alarm also nicht gewesen sein. Meinen Respekt, dein blödsinniger Plan war so blödsinnig nicht.“
Übertriebene Euphorie macht mich grundsätzlich misstrauisch. Aber ich fragte mich auch ganz ko nkret: Waren 25.000 Dollar für einen Menschen wie Honkes „die Riesen-Chance seines Lebens“? Würde einer wie er seine Abreise in die Heimat herum posaunen?
„Und wenn er nur will, dass wir glauben, er sei nicht mehr in der Stadt?“
„Der ist nicht mal mehr im Land. Und willst du wissen, wieso?“
„Jetzt sag schon!“
Er zog ein zusammengefaltetes Stück Papier aus einer Jacken-Innentasche, faltete es auseinander und reichte es mir: die Kopie eines Flugtickets nach Moskau, datiert auf den 2. Dezember, ausgestellt auf den Namen Peter Honkes. Einfacher Flug, kein Rückflug.
„Das könnte hinhauen, Mitte November wollte Petrowna mit se inem Hilfstransport in Kronsweide sein. Ich werde gleich mal probieren, ob ich Pastor Näb erreiche.“
„Was denn, warum so misstrauisch?“
„Wo hast du das Ding eigentlich her?“
„Ich sage doch, ich habe meine Quellen. Das hier war wirklich e asy, ich hab mal die Kleine im Reisebüro gebumst. Also, was ist?“
„Zunächst mal: Gibt es keine Flüge nach Alma-Ata oder Zelinograd? Von Moskau nach Kasachstan ist es noch mal so weit wie von Berlin nach Moskau.“
„Vielleicht gibt es keine Direktflüge, vielleicht muss man den Anschlussflug in Moskau vor Ort buchen, was weiß ich.“
„Vielleicht.“
„Oder jemand hat ihm das Geld nach Moskau gebracht, und er fliegt von dort weiter nach New York. Dahin wollte er doch, oder?“
„Schon.“
„Willst du allen Ernstes, dass ich das recherchiere?“
„Nein. Es ist nur... das wäre einfach zu schön um wahr zu sein.“
„Es ist wahr. Du kannst beruhigt feiern, und ich kann ohne schlechtes Gewissen abdampfen. Ich will über Weihnachten nach Zell am See. Zu den Rennhäschen auf die Alm. Und diesmal ohne Hoteladresse und damit ohne dass Sasse die Nummer mit dem gestrichenen Urlaub abziehen kann.“
So kam es, dass Jürgen Rogalla unerreichbar war, als ich ihn wirklich brauchte. Mein Misstrauen schwand, ich versuchte nicht mal, Pastor Näb anzurufen, ich wog mich in Sicherheit. Schließlich vergaß ich, wie es war, je in Gefahr gewesen zu sein. Das alles in den drei Tagen vom herzlichen Händeschütteln mit meinem zukünftigen Ex-Leibwächter bis zur Ankunft meiner Familie.
Ich überschlug mich mit Vorbereitungen. Der Weihnachtsbaum tast ete mit seiner untersten Ästereihe entlang des Geländers der weitläufigen Wendeltreppe in der Halle und verfehlte mit der Spitze den 14 Meter hohen Lichtschacht nur um Zentimeter. Die Tanne ins Haus zu bekommen und aufzurichten, ohne alles in Trümmer zu legen, erforderte acht Helfer, und Silke stieß dabei so manchen spitzen Schrei aus.
Mir tat der Baum leid, ich empfand es als Sünde, durch meinen Kauf an der Tötung dieses Prachtstückes beteiligt gewesen zu sein, aber schaffte es leicht, mich mit dem romantisch-schwachsinnigen Gedanken an die glänze nden Augen von Melanie und Mirko zu trösten. Der Zweck heiligt die Mittel, und für diesen Zweck war mir jedes Mittel recht.
Ich stopfte das Haus mit G eschenken voll, die Gefriertruhen und Vorratskammern mit den absonderlichsten Leckereien, von Straußensteaks über Chinesische Vogelnester hin zu Krokodil- und Känguru-Fleisch war alles dabei, ich hatte jedes Maß verloren. Ich ließ sogar Weihnachts-Cookies in Form von Nikoläusen und Engeln aus dem Little Apple Pastry Shop in Aldie, Virginia, einfliegen, über dessen Produkte sich Melanie vor drei Jahren bei einer unserer Reisen überschlagen hatte vor Begeisterung – wegen der Kunstfertigkeit des Zuckerbäckers freilich, und nicht etwa wegen des Geschmacks, den sie nicht mal testete.
Melanie und Mirko hatten sich für den 23. Dezember um die Mi ttagszeit angekündigt. Ich war schon früh um acht auf den Beinen, dehnte Körperpflege und Auswahl der Bekleidung auf über eine Stunde aus, begutachtete noch einmal jedes Zimmer und verabschiedete Silke über die Feiertage mit einem Weihnachtspaket, das sie kaum tragen konnte. Da mir keine besonderen Vorlieben oder Hobbys bekannt waren, hatte ich ihr einen Fresskorb zusammengepackt, an dem sie bis Ostern zu futtern haben würde. Ich erwähne das alles
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