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Der Mann, der mein Leben zum Entgleisen brachte

Der Mann, der mein Leben zum Entgleisen brachte

Titel: Der Mann, der mein Leben zum Entgleisen brachte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Manfred Köhler
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wo der Verband den Kopf des Opfers andeutete. Mit dem linken Zeigefinger wies ich auf meine Wunde. Alle im Saal starrten mich verständnislos an.
    Ich ging hoch auf die Knie, rutschte herüber auf den angedeut eten Körper und ließ mich wieder auf den Bauch sinken. Mit beiden Händen deutete ich einen mir zugewandten Kopf des Opfers an, zeigte auf mein Handgelenk und versuchte, die Stelle des Bisses dorthin zu bringen, wo der Mund des Opfers in dieser Haltung wäre. Dann winkelte ich den Arm an und führte die Außenseite des Handgelenkes an den fiktiven Mund. Noch einmal unterstrich ich mit Gesten die gerade Kopfhaltung des Opfers, stand auf, nahm die Binde und ging zu meinem Platz zurück. Ich zog mein vorletztes Blatt hervor.
    „Wenn der Kopf des Opfers geradeaus gerichtet war, was das O pfer bestätigt hat, und ich zum Zeitpunkt des Bisses auf ihr gelegen hätte, könnte meine Wunde nirgends anders sein als an der Außenseite meines Handgelenkes.“
    Daran hatte mein Anwalt erst mal zu übersetzen. Als er fertig war, noch bevor der Beisitzer seinen Text vo rlas, legte ich mein letztes Blatt nach:
    „Die Tat hat jemand anders begangen, sie soll mir nur ang ehängt werden. Ich bin unschuldig.“
    Sofort sprang, als die Gesamt-Übersetzung kam, wieder der Staat sanwalt auf und erhob Einspruch, den er auch gleich wortreich begründete. Ich hätte zu gerne gewusst, ob es Argumente waren, mit denen er mich zu widerlegen versuchte, oder reine Polemik. Aber mein Verteidiger schien schon kaum nachzukommen, seine Lippen zu lesen, an eine simultane Übersetzung war nicht zu denken.
    Der Ric hter hämmerte auf sein Pult, sagte etwas und wollte den Raum verlassen. Noch bevor sich alle im Saal erheben konnten, sprach ihn die Frau laut und entschieden an, und der Richter erwiderte etwas. Sie sprach einen langen, aufgeregten Satz, biss sich dann genau dorthin, wo meine Wunde saß, in ihr eigenes rechtes Handgelenk und deutete an, wie mein Arm ihren Kopf von der Geradeaus-Haltung nach links geschoben hatte, als ich zu ihr und halb auf sie gerutscht war, nachdem der Vergewaltiger von ihr abgelassen hatte.
    Der Staatsanwalt hob zu donnerndem Widerspruch an, aber der Ric hter stoppte ihn mit einer Handbewegung. Er überlegte kurz, erklärte die Sitzung mit seinem Hämmerchen abermals für beendet und verließ zusammen mit den Beisitzern und der Protokollantin den Raum. Der Staatsanwalt folgte ihnen sichtlich wütend und warf mir einen kurzen Seitenblick zu, in dem ich das Eingeständnis seiner Niederlage mir gegenüber las.
    Die Frau blieb auf dem Ze ugenstuhl sitzen und sah mich nachdenklich an. Ich lächelte ihr zu und bedankte mich mit einem Nicken.
    Das Opfer hatte sich für mich ei ngesetzt!
    Vielleicht war ich morgen schon zu Hause. Mein Verteid iger schob mir ein frisch beschriebenes Blatt zu:
    „JETZT DU LEBENSLANGLICH ICH NICHT SCHULD“
    „Du kleine Billardkugel“, dachte ich in meiner Siegesfreude, „dir stinkt’s doch nur, dass ich dich als Anwalt vorgeführt habe“, und meine Stimmung stieg noch. Ich grinste ihn aufmunternd an und klopfte ihm auf die Schulter. Er schüttelte beleidigt den Kopf und verließ den Raum. Auch die Frau ging. Ich blieb allein mit meinen Wärtern zurück.
     
    Schneller noch als von mir angesichts der Unwiderlegbarkeit meiner Beweisführung erwartet, kam der Richter zur Urteilsverkündung zurück. Der eine meiner Wärter hatte es gerade so geschafft, aufs Klo zu gehen. Als letzter kugelte mein Pflichtverteidiger in den Verhandlungsraum.
    Alles erhob sich, der Richter verlas das Urteil. Der Staatsa nwalt wirkte verschlossen, die Frau betroffen. Mein Anwalt schrieb umständlich unter ständigem Blättern im Wörterbuch die Übersetzung des Urteils für mich auf. Dabei hätte mir das Wort FREISPRUCH völlig ausgereicht. Dazu vielleicht noch die Anmerkung: „HEIMREISE MIT ZUG IN ZWEI STUNDEN“
    Als er fertig war mit seiner Schreiberei, hatten bereits alle a nderen Beteiligten den Raum verlassen. Ich las:
    „DU GLUCK IN UNGLUCK KEIN ARBEITSLAGER NUR GEFANGNIS ABER ZWE IMAL LEBENSLANGLICH KEIN AUSSICHT AUF JEMALS BEGNADIGUNG“
    Er stand auf, kramte seine Sachen zusammen und drehte mir den Rücken zu.
    „Nein“, sagte ich, „das kann nicht sein! Warten Sie!“
    Er drehte sich von mir weg. Ich schnappte ihn an seinem mausgra uen Ärmel. Sofort griff der Wärter zu meiner rechten ein und packte mich am Handgelenk. Der Verteidiger riss sich los und murmelte mit stumm zuckenden Lippen eine

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