Der Mann, der mein Leben zum Entgleisen brachte
Billardkugel, sich mit viel Schulterklopfen und gespielt-freundlichem Drängen an ihm vorbeizumogeln, die Kirche zu betreten, und die beiden Pastoren folgten ihm. Wäre ich noch da drin, ich hätte in der Falle gesessen.
Es dauerte ein paar Minuten, da kamen die drei Männer wieder he raus, und wieder drängte Näb in Richtung Dorf, aber Billardkugel wollte den Sattelschlepper inspizieren, auch davon ließ er sich nicht abbringen. Diesmal war der Widerstand des Pastors noch größer, wohl weil er vermutete, dass ich aus der Kirche genau dorthin geflüchtet war. Mit sanfter Gewalt drängte sich Billardkugel an ihm vorbei und erklomm erstaunlich behände die Ladefläche. Wieder dauerte es ein paar Minuten, die Pastoren standen derweil mit den Köpfen eng beieinander und tauschten sich aus. Schließlich schwang sich der Spion vom Laster und folgte Näb und Petrowna zu einem der Häuser in der Mitte der Hauptstraße, nicht ohne sich mehrfach umgedreht und gründlich umgesehen zu haben. Auch in meine Richtung schaute er für einen langen Moment, und mich durchzuckte die Angst, es könnte ein Zipfel von mir durch die Fichten zu sehen sein.
Ich rechnete damit, nach allem, was ich gesehen hatte, dass P etrowna so schnell wie möglich weiter wollte. Was Billardkugel schon einmal durchsucht hatte, würde er nicht noch einmal durchsuchen, und weil er denken würde, dass ich genau so dachte, sofern ich alles beobachtete hätte, würde er den Sattelzug womöglich erst recht noch einmal erklimmen wollen. Aber das musste ich einfach riskieren. Wenn diese Trucks sich in Bewegung setzten, musste ich an Bord sein! Eine zweite derartige Chance, in die Heimat zurückgebracht zu werden, würde ich nicht bekommen.
In der Deckung der Fichte stand ich auf, schüttelte die De cken aus, wickelte sie mir um den Körper und bahnte mir einen Weg durchs Unterholz entlang der Turmseite der Kirche. Der bewaldete Hügel umarmte das Kirchlein und stieß auf der anderen Seite auf die Hauptstraße, die das Dorf hier verließ und in einer weiten Kurve sich um einen anderen Hügel herum in der Ferne verlor. Es gab hier keine Verkehrsschilder und keinen Hinweis, wie weit es zu einer nächsten Ansiedlung sein mochte.
Zwischen Unterholz und Straße war ein Graben, der einen Meter breit voll Wasser stand. Ich musste springen, kam hart auf, riss die Arme vor, um den Obe rkörper abzufangen, begriff irritiert in ganz neuem Zusammenhang, dass ich dafür nur noch eine Hand zur Verfügung hatte, stieß mir schmerzhaft den Stumpf, knickte rechts weg und fiel der Länge nach hin. Mir wurde schwarz vor Augen, ein Schwapp Verzweiflung überflutete mein Bewusstsein, und am liebsten wäre ich gar nicht mehr aufgestanden.
Aber ganz automatisch, wenn man bereit ist aufzugeben, kommt von irgendw oher neuer Mut. Ich rappelte mich hoch und folgte der Straße zur Kirche. Neben dem großen blauen Sattelzug, dessen Heck ans Kirchenportal reichte und dort alles einnebelte, standen da noch drei andere Lastwagen, zwei große und ein kleinerer, deren Motoren nicht liefen. Ich lugte bei allen unter die Plane.
Die Ladeflächen der kleineren Lkw waren leer – keine Möglichkeit, sich zu verkriechen. Der Sattelschlepper war noch halb beladen mit Kartons und Kisten unterschiedlicher Größe. In einem großen durchsichtigen Plastiksack, den man zwischen zwei Kartons g estopft hatte, drängten sich beige Federbetten und Bettdecken. Es gab keine Zwischenräume zwischen den Teilen der Ladung. Das hier war kein Versteck, sondern ein Präsentierteller.
Blieb nur das Führerhaus. Ich öffnete die Tür und kletterte auf den Fahrersitz. Meine Hoffnungen hingen daran, unter den Sitzbä nken ein bisschen Leerraum zum Verstecken zu finden, doch diesmal wurde ich angenehm überrascht: In diesem Sattelzug waren hinter den Sitzbänken zwei Schlafkojen eingelassen. Nicht, dass es sich dabei um erstklassige Verstecke gehandelt hätte, denn sie waren auf den ersten Blick zu sehen und mit wenigen Handgriffen zu durchsuchen. Worauf ich hoffte, war der Schutzschild der Privatsphäre. Das hier waren die Rückzugsräume von Fahrer und Ersatzfahrer. Billardkugel mochte noch so dreist sein, aber in fremden Betten zu stöbern würde ihm nicht so leicht einfallen wie auf der Ladefläche herumzuschnüffeln.
Ich schob das Bettzeug einer Nische beiseite, legte meine eig enen Decken über die Liegefläche, ließ mich in die Koje fallen und breitete das fremde Bettzeug über mich. Keine Ahnung, wie deutlich
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