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Der Mann, der mein Leben zum Entgleisen brachte

Der Mann, der mein Leben zum Entgleisen brachte

Titel: Der Mann, der mein Leben zum Entgleisen brachte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Manfred Köhler
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in wenigen Sekunden ohrenbetäubend, schon sah ich das Blaulicht. Der Polizeiwagen kam in hoher Geschwindigkeit herangeschossen. Kiesmehl staubte in einer grauweißen Wolke zum schwarzblauen Himmel, als er abbremste und zum Stehen kam. Zwei uniformierte Polizisten sprangen heraus und eilten die Treppchen zu uns hoch. Das Blaulicht rotierte im Nebel des Steinstaubes.
    „Sind Sie verletzt?“, fragte der eine Beamte angesichts meiner schiefen Haltung und legte mir die Hand auf die Schulter. Der a ndere entdeckte das Loch in der Tür.
    „Du liebe Zeit!“
    Meine Frau hielt ihm den Stein entgegen.
    „Das gibt’s doch nicht.“
    „Der Kerl ist wahrscheinlich nicht mehr auf dem Grundstück, aber bestimmt noch im Wohngebiet“, sagte ich, „groß, bullig, ganz in Schwarz gekleidet. Steife Lederjacke. Schwarze, kurze, schmierige Haare. Ein Stück vom rechten Daumen fehlt.“
    „Hat irgendwie keinen Hals“, ergänzte Melanie.
    Einer der Polizisten eilte zum Streifenwagen, ich dachte, wohl um das Viertel abriegeln zu lassen.
    „Ich schau mich auf dem Gelände mal um“, rief er uns zu.
    Sein Kollege gab sein Okay und ging mit uns ins Haus.
    „Sieht nicht nach Einbruch aus“, stellte er fest.
    „Nein.“
    Melanie war längst klar, dass jetzt etwas kam, das ihr nicht g efallen würde. Sie verschränkte die Arme und schaute mich an. Der Polizist klappte einen Notizblock auf.
    „Heute Nachmittag habe ich einem Ihrer Kollegen geholfen, im CbT zwei Ladendiebe zu verha ften.“
    „Was machst du denn in einem CbT?“ fragte meine auf hochwert ige Markenware eingeschworene Frau – als liege mein Hauptfehler darin, mich im falschen Kaufhaus herumgetrieben zu haben.
    „Angesprochen hat mich der Polizist draußen auf der Straße. J edenfalls, der Kerl, den ich abgeführt habe, hat mir im Gedränge meine Papiere aus der Jacke geklaut, dadurch meinen Namen und meine Adresse erfahren, und vorhin, als wir aus einem Restaurant zurück kamen, stand er vor dem Haus und wollte Geld.“
    „Und wieso ist er so sauer geworden?“, fragte Melanie. „Hast du ihm etwa nichts gegeben?“
    „Ein bisschen, aber nicht so viel wie er wollte.“
    „Wieviel wollte er denn?“, fragte der Polizist.
    „10.000 Mark.“
    „Das ist doch gar nichts!“, entrüstete sich Melanie. Der Pol izist sah sie befremdet an.
    „Eben. Deshalb dachte ich ja auch, das ist nur der Anfang e iner endlosen Erpressungsserie.“
    „Haben Sie denn überhaupt so viel Geld hier?“, wollte der Pol izist wissen.
    „Na sicher, ich meine, kann schon sein, aber...“
    Melanie verdrehte die Augen, legte sich die Hand an die Stirn und wendete sich ab.
    „Was denn? Hätte ich den Kerl mit ins Haus nehmen sollen?“
    „Sie haben sich also rundheraus geweigert, und deswegen hat er die Tür zertrümmert?“, fragte der Polizist.
    „Er hat ihm so eine Art Stipendium angeboten“, empörte sich Mel anie. „Ich habe ja nur ein paar Brocken aufgeschnappt, aber jetzt begreife ich langsam! Haben Draufgängertum und unerwiderte Vaterliebe also endlich den geeigneten Ziehsohn gefunden.“
    „Wie meinen Sie das?“, fragte der Polizist, als glaube er erns thaft, das gehöre zum Fall. Ich konnte nicht fassen, dass sie vorhatte, in dieser Situation unsere Eheprobleme zum Thema zu machen und das auch noch auf Basis dieser absurden Schlussfolgerung.
    „Er hat behauptet, wegen des Ladendiebstahls werde er nun z urück nach Kasachstan abgeschoben. Ich dachte, wenn ich verspreche, ihm das Geld dorthin zu schicken...“
    „Den eigenen Sohn hat er ins Internat gesteckt und dort noch nicht ein einziges Mal besucht, aber diesen Ve rbrecher...“
    „Bitte, nicht schon wieder! Erstens war er nie interessiert dran, dass ich ihn besuche“, erklärte ich dem Polizisten zug ewandt, denn diesen Vorwurf konnte ich wirklich nicht unkommentiert stehen lassen. Der hob die Hände und schüttelte den Kopf.
    „Sie sind mir, was das betrifft, keine Erklärung schuldig. Ich glaube, es ist besser, wir machen den Rest morgen Früh. Wir ble iben heute Nacht in der Nähe. Wenn Sie die Alarmanlage wieder aktivieren, sind sie hier im Haus sicher.“
    Ich nickte, begleitete den Mann zur Tür, und wir vereinba rten, dass ich am nächsten Nachmittag für die Formalitäten ins Polizeirevier käme.
    Die Aggressivität, die so unvermittelt wieder hoc hgekocht war zwischen meiner Frau und mir, war verpufft, und im entstandenen Vakuum hatte sich das alte Durcheinander aus Versöhnungsbereitschaft und Bitterkeit

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