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Der Mann, der mein Leben zum Entgleisen brachte

Der Mann, der mein Leben zum Entgleisen brachte

Titel: Der Mann, der mein Leben zum Entgleisen brachte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Manfred Köhler
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ich habe mir überlegt, na ja, ein paar private Nachfo rschungen anzustellen. Nicht als Konkurrenz zu Ihnen, verstehen Sie mich nicht falsch, aber gemeinsam ist man stärker. Wenn Sie mir seinen Namen und seine Adresse geben würden...“
    Noch bevor er antwortete, wusste ich, dass ich einen Fehler g emacht hatte. Es hatte sich etwas geändert. Das lag schon in dem Moment des Schweigens, der folgte, und tatsächlich kam seine Antwort schroff.
    „Tut mir leid, ich darf keine Personalien von Verdächtigen h erausgeben.“
    „Aber er hat meine Personalien doch auch!“
    „Und ich möchte Sie warnen, auf eigene Faust was zu unternehmen. Sie reiten sich damit erst richtig rein. Ich muss jetzt weiter.“
    „Nein, warten Sie. Können wir uns nicht mal treffen und ausfüh rlich über alles reden?“
    „Die Kollegen, die den Fall bearbeiten, bleiben mit Ihnen in Ve rbindung. Alles Gute.“
    Er legte auf.
    „Shit, verdammter!“
    Ich rollte mich auf die Seite und quälte mich aus dem Bett. Von den Hosen, die herumlagen, angelte ich mir eine Jeans und ve rsuchte hineinzusteigen. Der Schmerz beim Hinunterbeugen war unerträglich. Ich musste mich auf die Bettkante setzen und mich hineinwinden. Eines der Hemden über den Kopf zu ziehen, ging auch nicht, ich musste es vollständig aufknöpfen.
    Auf der g ewundenen Treppe durch die Halle hinunter zur Küche, die ich sonst mit wenigen Sprüngen nahm, tastete mich am Geländer entlang. Auch mein Steißbein machte sich bei jedem Schritt bemerkbar.
    Silke war nicht in der Küche. Ich ging zum Tisch und ließ mich auf den Stuhl sinken, auf dem ich mein Frühstück einzunehmen g ewohnt war. Die Augustsonne schien mir durchs Fenster mitten ins Gesicht, und sie fiel auf den Sportteil der Tageszeitung, den Silke, wie immer, für mich bereit gelegt hatte. Das Zeitungspapier dünstete einen scharfen Geruch nach frischer Druckerschwärze aus, der mir Übelkeit verursachte. Wenn ich sonst zum Frühstück herunter kam, stand die Sonne längst an der Südseite des Hauses, in der Küche war es kühl, und es duftete nach Gebratenem. Heute stand nicht mal mein Orangensaft bereit.
    Ich ließ den Sportteil liegen und suchte mir den Rest der Ze itung. Vielleicht stand ja im Polizeibericht des Lokalteils etwas über den Ladendiebstahl im CbT.
    „Sturm aufs Weiße Haus“, schrie mir die Schlagzeile des weltpol itischen Teils entgegen. Das Bild darüber irritiere mich, denn ich dachte an Washington, aber sah nicht die bekannte Fassade, sondern eine schmucklose weiße Fensterfront, die von Rauchwolken eingenebelt war. Von einem Weißen Haus in Russland hatte ich nichts gewusst, und was in diesem vom Sozialismus verwüsteten, im Zerfall begriffenen Staatengebilde östlich unserer Grenzen passierte, interessierte mich damals auch nicht sonderlich, so wie mich Politik und allgemeines Weltgeschehen kalt ließen, außer es hatte mit Sport oder Rekorden zu tun.
    An diesem Morgen aber, am Tag, nachdem ich erstmals im Leben mit einem Menschen konfrontiert gewesen war, der aus der Sowje tunion stammte, verschlang ich den Artikel, las von Chaos, Gewalt und Anarchie, ängstigte mich ein wenig vor einem möglichen Krieg, der bis zu uns schwappen könnte, aber vor allem zog ich Parallelen zwischen dem, was dort gerade vor sich ging, und dem, was die Nacht davor mit meiner Haustür passiert war. In mir verfestigte sich der Entschluss, den ich gefasst hatte, als ich mich weigerte, die 10.000 Mark vor Ort auszuhändigen: Ich musste diesen fürchterlichen Menschen irgendwie dorthin zurückschaffen, wo er her gekommen war – die Bestie musste zurück in ihre Wildnis, wo sie hin gehörte.
    Ich blätterte die Zeitung durch, fand nichts weiter von Intere sse, spürte ein erstes Hungergefühl, stand auf, holte mir den O-Saft selbst aus dem Kühlschrank und ein Glas vom Bord daneben, reckte den Kopf hinaus in die Halle, um nach Silke zu lauschen, hörte nichts, rief nach ihr, bekam keine Antwort.
    Kopfschüttelnd setzte ich mich wieder an den Tisch, goss mir ein, trank einen Schluck und faltete meine Liste auseinander. Punkt eins war also ein Fehlschlag gew esen. Aber vielleicht war aus den Polizisten von gestern Nacht was rauszuholen. Ich angelte mir stöhnend den Telefonapparat vom Ablagebrett hinter der Eckbank und wollte zuerst noch einmal bei der Polizei anrufen, dann den Türenfachhändler und einen Sicherheitsdienst, da fiel mir ein, dass es noch einen ebenso dringlichen Anruf zu erledigen gab, an den ich bisher

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