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Der Mann, der mein Leben zum Entgleisen brachte

Der Mann, der mein Leben zum Entgleisen brachte

Titel: Der Mann, der mein Leben zum Entgleisen brachte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Manfred Köhler
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breitgemacht. Da ich für einige Stunden hatte genießen dürfen, wie es zwischen uns gewesen war und wieder hätte werden können, drängte nun alles in mir, vernünftig mit ihr zu sprechen, die Missverständnisse auszuräumen, ihr zu gestehen, dass ich sie brauchte; aber weil ich genau wusste, wie sie sein konnte, wenn es um Mirko ging: uneinsichtig, eiskalt, verletzend – verbot mir mein Stolz, den ersten Schritt zu machen. Sie hatte eine Stoffserviette und eine Schachtel Reißzwecken zusammengesucht, ging damit neben der Tür in die Hocke und befestigte die Serviette vor dem Loch.
    „Kann ich dir helfen?“, fragte ich. Sie beachtete mich nicht.
    „Dann gehe ich schlafen.“
    Schiefhalsig nach dem Geländer tastend, wollte ich die Treppe nehmen.
    „Eines möchte ich noch wissen“, hörte ich sie hinter mir sagen. Ich drehte mich um. Die Serviette an der Tür ließ mich denken: ein Pflaster über einer Wunde, die niemals heilen wird...
    M elanie drehte die Reißzweckenschachtel in den Händen.
    „Wieso musstest du uns das antun? Ich meine, selbst für deine Ve rhältnisse war das doch eine komplette Verrücktheit!“
    „Was meinst du? Ihm kein Geld zu geben?“
    „Nein, dich überhaupt mit so jemand einzulassen! Willst du jetzt ernsthaft Polizist werden oder was?“
    „Also erstens hab ich mich nicht mit ihm eingelassen. Dieser Zivilfahnder kam mitten im Gewühl der Fußgängerz one auf mich zu und fragte: Können Sie mir helfen... – das klang ganz harmlos.“
    „Harmlos! Der hätte dich nicht zwingen können.“
    „Ich schätze, das war einfach Hilfsbereitschaft.“
    „Deine verdammte Leichtlebigkeit war das!“
    „Nein. Oder vielleicht auch ein bisschen. Ich weiß nicht.“
    „Du bringst uns alle in Lebensgefahr! Nur für den Kick!“
    „Jetzt hör aber auf!“
    „Begreifst du denn das nicht: Der Kerl wird wieder ko mmen! Ab jetzt wird er immer da sein. Egal, ob wir aus dem Haus gehen oder unterwegs sind oder zurück kommen oder... oder das Haus nicht mal verlassen, wir müssen immer damit rechnen, dass er irgendwo lauert. Unser unbesorgtes Leben ist vorbei.“
    Dieser letzte Satz irritierte uns beide, wir sahen es gegense itig in unseren Blicken. Melanie ergänzte deshalb: „Unbesorgt, was solche Gefahren angeht.“
    Sie legte die Reißzweckenschachtel auf der Kommode ab und ging an mir vorbei die Treppe hoch. Ich stand da noch eine ganze We ile, starrte auf den Stoff-Flicken über dem Loch im Holz und fragte mich, wie es zu dieser Kettenreaktionen in das hatte kommen können, was ich damals schon für eine Katastrophe hielt, dabei war es erst der Anfang. An welcher Stelle hätte ich wie reagieren müssen, damit es nicht so gekommen wäre? Hätte ich besser daran getan, ihm die 10.000 Mark zu geben, oder hätte ich ihn am CbT laufen lassen müssen? Ich hätte dem Polizisten gar nicht helfen dürfen! Warum hatte ich so spontan mitgemacht?
    In dieser Nacht gingen mir so manche Erklärungen durch den Kopf, die meiner damaligen Lebenseinstellung entsprachen: ha ndelndes Subjekt, innere Befindlichkeiten und Erfahrungshorizont als Antriebsgrundlage, Aktion und Reaktion und Gegenreaktion, kurz: Meine Wirklichkeit wurde von mir selbst hervorgebracht, sie war nichts anderes als die Anhäufung der Folgen aller Entscheidungen, die ich in der Vergangenheit getroffen hatte. Erklärungen, warum ich so und nicht anders entschieden hatte, gab es genug, und sie schmeichelten mir wenig: Kuschen vor der Staatsautorität der Dienstmarke – Kadavergehorsam; Angst, als Feigling dazustehen, wenn ich ablehne; durchaus ein bisschen Abenteuerlust, der Reiz des Cowboy- und Indianerspiels; law-and-order-Mentalität; latente Selbstmord-Fantasien womöglich; Hilfsbereitschaft wohl am allerwenigsten.
    Später sol lte ich eine ganz andere Erklärung finden, und die stellte alles auf den Kopf. Für den Moment aber kam ich zu der Schlussfolgerung: Egal, was mich getrieben hatte, die Vergangenheit war nicht mehr zu ändern. Jetzt kam es darauf an, wie ich Gegenwart und Zukunft gestaltete.
    Ich ging hinüber in die Bibliothek, setzte mich an den Schrei btisch, legte die Tastatur des Computers auf den Monitor, um Platz zu schaffen, holte einen Block und einen Kugelschreiber aus einem Schubfach und erstellte eine Liste von Maßnahmen:
    Als erstes den Polizisten anrufen, der mir den ganzen Mist eing ebrockt hat – der soll uns da gefälligst auch wieder herausholen, indem er dafür sorgt, dass der Typ so schnell wie möglich

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