Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Mann, der nicht geboren wurde

Der Mann, der nicht geboren wurde

Titel: Der Mann, der nicht geboren wurde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tobias O. Meißner
Vom Netzwerk:
reicher
Eltern, von einem Advokaten in die Lehre genommen, von einem Bürgermeister
angestellt, von einem Schmetterlingsmädchen erweckt, von der Magie der Riesen
aus jedem Tod geborgen, von einem Lichtmagier von der Brücke der
Unentschiedenheit abgeholt, von Heleleschwestern und Kräuterkundigen auf seinem
Krankenlager gepflegt, von Leribin und Weraly aus dem Gefängnis gerettet. Sogar
Gauden Endreasis war bereit gewesen, ihm zuzuhören, selbst nachdem Rodraeg
versucht hatte, ihn zu erstechen. Nun war Endreasis tot und Rodraeg frei.
    Wenn es die Götter tatsächlich gab: Was nur hatten sie mit Rodraeg
vor?
    Zwei Meilen vor Warchaim.
    Ein dicht bewachsener Birkenhain in
einer herbstlich kühlen Senke. Die Sonne immer noch Stunden entfernt. Die
kühlste Zeit dieser Nacht.
    Trenc Weraly führte Rodraeg durch den Hain. Die Landschaft
veränderte ihr akustisches Gesicht. Der Fluss war nahe.
    Â»Hier bin ich«, sagte Riban Leribin und trat aus seiner Deckung
hinter einem mannshohen Wacholderbusch. Er sah noch jünger aus, als Rodraeg
erwartet hatte. Ein bleiches, schmalschultriges, vornehm gewandetes Kind von
höchstens acht oder neun Jahren. Augenblicklich erinnerte sich Rodraeg wieder
daran, warum er Riban Leribin nie wirklich in sein Herz geschlossen hatte: Das
Gesicht des Knaben trug einen Ausdruck ständiger Verächtlichkeit und
Unzufriedenheit zur Schau. Die Augen, die als Einziges das wahre Alter von
vierundsiebzig Jahren verrieten, verstärkten nur noch den Effekt, dass Riban
von unten herauf zu einem herabsah.
    Â»Ja, ich bin schneller verjüngt als geplant«, erläuterte Riban mit
hoher Knabenstimme. »Zu viel Energie muss ich aufwenden, um einen Zauber zu
wirken, der mich und Trenc für den Gegner unwahrnehmbar macht. Uns läuft die
Zeit davon, Rodraeg. Gehen wir zum Fluss hinunter? Ich gebe mich zu gerne der
Illusion hin, dass sein ewiges Fließen mir Kraft vermittelt und auch
Zukünftigkeit.«
    Zu dritt gingen sie noch dreihundert Schritte, dann sahen sie die
wolkenspiegelnde Masse des Larnus sich vorüberwälzen und fanden auf einer
beinahe waagerecht wachsenden Trauerweide einen Platz zum Hinsetzen.
    Â»Die Geschichte des Kreises bis zu diesem
Punkt ist schnell erzählt«, begann der Knabe. »Zuerst waren es nur Zeichen und
Drohungen. Ich habe die meisten Wortlaute vergessen, nur vier weiß ich noch: Der magische Deuter nennt Glück Wahn , Damit
man das Neue gezüchtigt weiß , Dadurch mag dein Name
geläutert werden und Denn Macht dient niemals
gewöhnlichen Wesen . Alles schwirrte und brummte um mich her, in jedem
Wasserglas, jedem Amselflügelschlag hörte ich Warnungen höhnen. Dennoch traf
der Angriff uns völlig überraschend. Unser unterirdisches Versteck wurde
verraten und verleumdet, die Garde machte plötzlich Jagd auf uns, und selbst
aufgebrachte Städter mit Brieföffnern und Bratenmessern als Waffen sahen in
Estéron ein Ungeheuer, das kleine Kinder nach drunten verschleppte, um sich an
ihnen zu vergehen. Es war zu grotesk, um geordnet dagegen vorgehen zu können.
Wir flüchteten, ich schickte Estéron zu euch, in Sicherheit, wie ich dachte –
und irrte. Es gab noch einen oder zwei Vorstöße des Gegners, die für nichts als
Chaos sorgten und von mir abgeschmettert werden konnten. Immerhin fand ich
inzwischen heraus, wer unser Angreifer war: Der Mann, der
nicht geboren wurde , ein verwirrter Knabe, mir selbst gar nicht
unähnlich, der aus einem magischen Zeitversteck heraus Mordaufträge
entgegennimmt und ausführt. Es gelang mir, Trenc Weraly ausfindig zu machen,
der schon seit … seit …«
    Â»Achtundvierzig Jahren«, half Weraly düster aus.
    Â»â€¦Â achtundvierzig Jahren hinter diesem Mörder her war. Mit Trencs
Hilfe wollte ich den Mörder oder seinen Auftraggeber ausfindig machen, aber der
hervorragendste Angriff ereilte uns eines Nachts, als wir in einem leer
stehenden Stall untergekrochen waren und Trenc und ich dabei waren, einen Plan
zu erarbeiten. Drei Männer waren es. Wie ich jetzt weiß: Einer von ihnen hieß
Raukar, die beiden anderen waren ganz gewöhnliche Männer. Die beiden
Gewöhnlichen waren in Brandöl getaucht und mit Fackeln bewehrt. Sie setzten
sich selbst in Flammen und klammerten sich dann brüllend an uns. Ilde starb,
weil Raukar einen ihrer Füße buchstäblich am Boden festnagelte und sie, weil
sie

Weitere Kostenlose Bücher