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Der Mann, der nicht geboren wurde

Der Mann, der nicht geboren wurde

Titel: Der Mann, der nicht geboren wurde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tobias O. Meißner
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Rauch verwandelt, und die Menschen trugen nun schon wärmere Gewänder.
Sogar der eine oder andere Schal war bereits zu sehen. In fünf Tagen würde das
Bachmufest stattfinden, und schon jetzt konnte man in Gassen, die es gar nicht
erwarten konnten, Girlanden sehen, die sich – aus buntem Herbstlaub gewunden –
zwischen den oberen Stockwerken der Häuser über die Straße bogen.
    Das Gehen fiel Rodraeg nicht leicht. Nach beinahe einem Mond
Bettruhe schienen seine Schenkel, Knie, Waden und Fußgelenke gleichzeitig
eingerostet und nachgiebig zu sein. Cajin stützte ihn und führte ihn über die
nördliche Hälfte der großen Nord-Süd-Hauptstraße wie einen deutlich älteren
Mann. Erst nachdem sie linkerhand den Marktplatz passiert hatten und vor ihnen
links Der eherne Habicht und rechts die Ruine des
Alten Tempels auftauchte, schien Rodraeg sich wieder zu erinnern, dass seine
beiden Beine gleich lang waren und sie seinen durch die ganzen Krankheiten
ohnehin abgemagerten Körper mühelos zu tragen vermochten. Wie immer, wenn er
ihn sah, erschien Rodraeg der von Zeit und Wetter zerschmetterte Alte Tempel
ein Quell der Zuversicht zu sein. Hier hatte sich die Erstbesetzung des Mammuts zusammengefunden. Dort drüben im Habicht hatten sich dann die ersten Ungeeigneten
aussortiert. Wie war noch mal der Name gewesen von diesem kleinen,
verschlagenen Kerl, der so überhaupt nicht gepasst hatte? Gorik, richtig.
Gorik.
    Die Straßen von Warchaim waren bereits jetzt, nach kaum mehr als
einem halben Jahr, mit Mammut geschichte behaftet.
    Rodraeg lenkte Cajin zu den geborstenen Säulen der Ruine hinüber. Er
atmete, als sei nur an diesem Platz die mit vielfältigen Gerüchen durchsetzte
Stadtluft wirklich sauber.
    Auf diesen Säulenstumpf habe ich mich gestellt,
damit die vier Bewerber mich hören und sehen konnten . Mit Cajins Hilfe
stieg Rodraeg erneut auf die verwitterte Bruchstelle hinauf. Von hier aus war
Warchaim wie mit zwei Armen zu umfassen. Der Tempelbezirk im Osten. Der
ummauerte Adelspark im Nordwesten. Rathaus, Markt und Rinwelinde im Nordosten.
Im Süden der Larnus mit dem Hafen. Im Norden, gut versteckt im Getümmel der
Dächer, das kleine Haus des Mammuts .
    Â»Hast du eigentlich das Buch durchgelesen?«, fragte Rodraeg.
    Â»Ja. Der Wal und andere Begegnungen. Von einem Irregeher. Und ich muss ehrlich sagen: So etwas habe ich noch nie zuvor gelesen.
Alle anderen Bücher, selbst die Abenteuer von Korengan, so ausgeschmückt sie
auch immer sein mögen, wurzeln irgendwie in der Wirklichkeit. Haben mit dem
eigenen Lebenslauf zu tun, oder zumindest mit der Zeit, in der der Autor lebte.
Aber wenn in Der Wal am Schluss ein Schiff sinkt, hat
man das Gefühl, dass eine ganze Welt sinkt. In diesem Buch scheint es noch eine
andere Welt zu geben als nur den Kontinent. Eine Welt der Götter als
Spiegelbild unserer Welt der geborstenen Tempel. Es ist irrsinnig und
gleichzeitig durch und durch faszinierend. Ich kann es nicht in Worte fassen.«
    Â»Ich werde es selbst lesen müssen. Dieses Buch ist der einzige
Gegenstand, den die Gezeitenfrau aus ihrem gesamten Hausrat retten wollte. Und mir hat sie es geschenkt, obwohl wir uns gerade erst
begegnet waren. Wenn es nicht so dick wäre und ich andauernd so … weggetreten,
hätte ich mich schon längst angemessen damit auseinandergesetzt. Vielleicht
sollte ich überhaupt mehr lesen, um verstehen zu können, was das Mammut tut und welche Auswirkungen das haben kann.«
    Cajin half Rodraeg wieder von der Säule. Dann setzten sie ihren Weg
nach Süden fort, vorbei an der Schmiede von Ulric und dem großen Stall namens Straße nach Endailon . Die meisten Reisenden, die hier ihr
Pferd oder ihre Gefährt unterstellten, waren in der Alten
Kutsche abgestiegen.
    Im Zusammenhang mit Ställen und Karren fiel Rodraeg noch etwas ein,
das in Eljazokads Missionsbericht gar nicht erwähnt worden war. »Auf unserer
Rückreise von der Höhle des Alten Königs wurden wir
von einem Rosenkohlhändler angegriffen. Ja, ich weiß, das klingt albern. Vieles
auf dieser Rückreise war bizarr. Das Zepter verwandelte harmlose Reisende in
torkelnde Verrückte. Jedenfalls haben wir uns den Wagen dieses Händlers
genommen, um anschließend unbehelligter weiterreisen zu können, denn wir waren
ja ursprünglich zu Fuß unterwegs. Das Mammut hat
dadurch eine Grenze

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