Der Mann, der nicht geboren wurde
damals
günstig auf das Unterfangen ausgewirkt, hätte man auch einen
Schmetterlingsmenschen, einen Untergrundmenschen und einen Riesen hinzugezogen,
aber die Zehn waren ausschlieÃlich Menschen. Riban
war damals noch nicht so weit, über den Rand der Schale hinauszudenken.«
»Aber du warst damals schon am Leben?«
»Nein. Auf wie alt schätzt du mich?«
»Ich weià es nicht. Das ist wirklich sehr schwer zu sagen. Du
könntest ⦠hundert sein. Du wirkst so zeitlos, als wärst du schon immer da
gewesen.«
»Ich bin nicht viel älter als du.«
Rodraeg blieb stehen. »Was?«
»Gut, zehn Jahre etwa. Aber das war es dann auch schon.
Schmetterlingsmenschen werden in der Regel nicht älter als fünfzig
Menschenjahre. Hat Naenn dir das nie erzählt?«
Rodraeg konnte gar nicht mehr weitergehen. Seine Beine versagten ihm
tatsächlich den Dienst. »Wir haben nie über ihr Lebensalter gesprochen. HeiÃt
das, dass sie noch jünger ist ⦠als zwanzig?«
»Sie wurde vor fünfzehn Jahren eurer Zeitrechnung geboren. Aber du
kannst das nicht vergleichen mit euch Menschen. Schmetterlingsmenschen werden
mit zwölf schon volljährig, beginnen mit dreiÃig rapide zu altern und werden
kaum älter als fünfzig. Wir sind Schmetterlinge. Schön anzuschauen, aber
kurzlebig in unserer Selbstvergessenheit.«
»Deshalb ⦠deshalb also ist sie auch nur sieben Monde schwanger und
nicht neun, wie wir.«
»Ja. Uns ist nicht so viel Zeit gegeben wie euch Glücklichen.«
»Ihr Götter. Ihr Götter!« Rodraeg wusste nicht, wohin mit seiner
Aufgewühltheit. Er wusste so wenig, so wenig. Die ganze Zeit über versuchte er,
ein Lenker und Hüter zu sein, aber er wusste die einfachsten Dinge nicht über
diejenigen, die ihm nahestanden. Naenns Alter und ihre Lebenserwartung. Wie
nahe Hellas am Abgrund gewesen war. Dass Migal Bestars Vater erschlagen hatte,
um Bestar das Leben zu retten. Wie sehr oder wie wenig Eljazokad unter dem
Verlust seiner Magie zu leiden hatte. Wie sich Cajin fühlte, der ohne Eltern in
der Obhut von Priestern aufgewachsen war. Wusste Cajin wirklich gar nichts über
seine blutige Herkunft? Und wie groà war der Anteil von simpler, unentrinnbarer
Todesangst bei allem, was Riban Leribin entschied und tat?
Wie vergänglich war doch alles. Die Schmetterlingsmenschen. Die
Mammuts. Selbst die Wale und Werwölfe und Riesen. All die aussterbenden Arten.
Die viel zu kurze Jugend.
Rodraeg wollte sich zusammenreiÃen und einfach weitergehen, aber es
gelang ihm nicht. Er wünschte sich, Naenn in die Arme schlieÃen zu können, sie
ganz fest zu halten und ihr von seiner Lebenszeit abgeben. All die Jahre, die
er in Kuellen vergeudet hatte â Naenn hätte mehr mit ihnen angefangen. All die
noch kommenden Jahre â wie viele davon würde Rodraeg in Ahnungslosigkeit und
schwer verwundeter Niedergestrecktheit verschwenden?
Aber Naenn brauchte ihn überhaupt nicht. Weder ihn noch seine Zeit.
Sie hatte ihren Sohn, ihren Schössling. Woher auch immer sie wusste, dass es
ein Sohn sein würde. Sie brauchte keinen Kindsvater, um ein magisches Kind zur
Welt zu bringen. Vielleicht brauchte sie eine schmetterlingsmenschliche
Hebamme, mehr aber auch nicht. Sie war stark und lernfähig und steigerungsfähig
ohne Grenzen und dabei erst fünfzehn Jahre jung. Sie war ein Kind, verdammt
noch mal, ein Kind.
Sie erreichten das Haus des Mammuts , ein
Floà in einem reiÃenden Fluss.
Rodraeg konnte Naenns Anblick, ihr offenes Lächeln kaum ertragen. Er
trieb sich in ihrem Garten herum und vermochte die in verschlungenen Mustern
angelegten Beete nicht zu entziffern. Er flüchtete sich in seine Grabkammer und
dachte dort fieberhaft nach.
DMDNGW.
Die meisten Dinge nähren gefährliches Wissen.
Am Abend, als er dann schläfrig wurde und seine Gedankengänge schon
mit einem Bein in Träumen standen, fiel ihm etwas auf, das zu gleichen Teilen
sinnlos und tröstend war. Durch die kürzere Lebenserwartung der
Schmetterlingsmenschen wurde der Altersunterschied zwischen ihm und Naenn bedeutungslos.
In fünfzehn Jahren, wenn er knapp über fünfzig war und damit begann, ein
rettungslos alter Sack zu werden, würde sie dreiÃig sein, und dann würde auch
bei ihr die schnelle Alterung einsetzen. Dann hätten sie noch zwanzig
gemeinsame Greisenjahre bis zum Ende. Wenn sie
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