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Der Mann, der nicht geboren wurde

Der Mann, der nicht geboren wurde

Titel: Der Mann, der nicht geboren wurde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tobias O. Meißner
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zu
fünf Tage mehr muss man immer einplanen, je nachdem, auf welche Schwierigkeiten
sie gestoßen sind. Und wir wissen ja, dass sie auf Schwierigkeiten gestoßen
sind. Wir wissen nur nicht, wie schlimm es um sie steht. Gib ihnen noch fünf
bis zehn Tage. Zur Geburt werden sie da sein.« Was tat er da eigentlich? Warum
beruhigte er sie ? War es nicht am Anfang andersherum
gewesen? Wie peinigend es war, nichts unternommen zu haben! Vor acht Tagen war
Rodraeg erwacht. In diesen acht Tagen hätte man die Strecke bis zum Thost schon
beinahe zurücklegen können. Rodraeg erinnerte sich noch an die Diskussion, die
er deswegen mit Naenn, Estéron und Cajin am Versammlungstisch geführt hatte.
Estéron war schon bereit gewesen, loszureisen. Wie hatte Naenn sie nur von
allem abgebracht? Durch den Trick, mit Rodraeg unter vier Augen oben in ihrem
Zimmer sprechen zu wollen? Mit ihrem Wildrosenduft, der seinen Tatendrang
eingeschläfert hatte?
    Acht Tage! In denen er für niemanden etwas getan hatte. Für
Eljazokad und Bestar nicht, und auch nicht für Hellas.
    Â»Ich fühle mich ein wenig unwohl, wenn wir das Haus so lange unbewacht
zurücklassen«, sagte Cajin nach einer Weile.
    Â»Lass uns zurückgehen«, nickte Rodraeg.
    Das Fest wütete noch den ganzen Tag. Gegen Abend gab es eine
gewaltige, aus vielen Hundert Menschen bestehende Ringelreihenschlange, die in
Serpentinen durch die gesamte Stadt mäanderte und tanzend und lachend und von
Trötenspielern begleitet auch zwischen dem Haus des Mammuts und
dem frisch verwitweten Haus von Heyden hindurchjubelte. Hier wie dort
verschanzte man sich eher vor dem Lärm, denn die Feierlaune fand in diesen
beiden Häusern keine Nahrung mehr.
    Noch bis tief in die Nacht war das Johlen und Krakeelen von
Betrunkenen und Grüppchen zu hören, die den Weg nach Hause nicht mehr fanden
und denen das auch herzlich egal war. Cajin vertrieb gegen Mitternacht einen,
der schabend und rummsend gegen die Haustür pinkeln wollte, und legte sich dann
grummelig wieder schlafen.
    Es war noch dunkel, als ein Hämmern gegen die Tür sämtliche
Schlafenden aus den Betten riss.
    Â»Verdammt, was ist denn jetzt schon wieder?«, schimpfte Cajin,
während er im Nachthemd die Tür öffnete. Diesmal war es nicht ein Gardist,
sondern sechs. Diesmal blieben die Gardisten auch nicht höflich an der Tür
stehen und trugen ihr Anliegen vor. Cajin wurde von einem Unteroffizier, der
deutlich nach Alkohol roch, unsanft zur Seite geschoben, und alle sechs
Uniformierten drangen in das Haus ein.
    Â»Was ist denn …? Ich darf doch wohl bitten!«
    Der Unteroffizier wandte dem Siebzehnjährigen sein ausdruckloses,
längliches Gesicht zu. »Wenn ihr keine Gegenwehr leistet, geht das Ganze
möglicherweise glimpflich für euch aus. Beim geringsten Anzeichen einer
gewalttätigen Aktion von eurer Seite bin ich jedoch befugt, mit sofortiger
Gegengewalt zu antworten. Ist das verstanden worden?«
    Â»Jja … das ist verstanden worden.«
    Â»Gut. Wir holen alle Bewohner dieses Hauses zu einer
Gegenüberstellung ab.«
    Â»Aber … was ist denn passiert? Geht es wieder um von Heyden?«
    Der Unteroffizier antwortete ihm nicht, denn die sechs hatten eine
rasche Durchsuchung der Erdgeschossräume begonnen. Versammlungsraum. Rodraegs
Schreibzimmer. Einer öffnete die Schreibtischschubladen. Ein anderer trat in
das Gärtchen hinaus. Einer ging über die Treppe, die zwischen Cajins Zimmer und
der Abtrittkammer hinabführte, in den Keller und klopfte dort die Wände ab.
Zwei weitere enterten die Stiege nach oben und trafen dort auf Rodraeg, Naenn
und Estéron, die alle drei aus ihren Zimmertüren getreten waren. Der
Unteroffizier blieb unten im Flur stehen und beobachtete aus müden Augen Cajins
Reaktion.
    Â»Was überziehen und mitkommen!«, war von oben zu hören. »Alle! Ja,
auch du, Mädchen! Und keine Waffen anfassen, sonst müssen wir euch in Fesseln
legen!«
    Â»Darf man erfahren, was überhaupt los ist?«, fragte Rodraeg, hörbar
um Höflichkeit bemüht.
    Â»Das erfahrt ihr noch früh genug. Sind das alle, Unert?«
    Â»Ja, in diesen Zimmern ist keiner mehr.«
    Â»Hast du auch unter den Betten nachge…?«
    Â»Klar, Mann. Mache ich doch immer als erstes.«
    Wie verängstigte Schafe vor zwei Hütehunden kamen Rodraeg und die
beiden Schmetterlingsmenschen die

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