Der Mann, der nicht geboren wurde
Treppe hinab. Naenn hatte nur ein leichtes
Ãbergewand über dem Nachthemd und zitterte vor Furcht unter den rauen Kommandos
der Uniformierten.
Der aus dem Garten kam wieder herein und nahm sich zusammen mit dem
aus dem Schreibzimmer Cajins Raum und die Küche vor. Missbilligend registrierte
der Siebzehnjährige, dass keiner der Gardisten sich die Mühe gemacht hatte,
seine Schuhe vor Betreten des Hauses abzuklopfen.
»Sind das alle, Unert?«, fragte der Unteroffizier einen der beiden
Hütehunde.
»Jawohl, Leutnant Adsar. Aber drei Zimmer mit Betten waren leer, die
Betten unbenutzt.«
»So, so. Sind noch nicht vom Fest heimgekehrt, die drei?« Diese
Frage richtete der Leutnant an Estéron, den er wohl für den Hausvorstand hielt.
Rodraeg drängelte sich vor ins Bewusstsein. »In diesem Haus wohnen
normalerweise fünf Personen. Ich, das Mädchen, der Junge und noch zwei
Mitarbeiter, die zurzeit auf Reisen sind. Eines der kleinen Zimmer ist
unbewohnt. Die anderen beiden, die auf die StraÃe hinunterschauen, gehören den
beiden, die auf Reisen sind. Dafür ist unser groÃes Gästezimmer von Estéron
belegt.« Er legte dem Schmetterlingsmann die Hand auf die Schulter.
»Verstehe.« Leutnant Adsar sah nun voll und ganz Rodraeg an. »Darf
ich das als eidesstattliche Versicherung auffassen, dass kein weiterer Bewohner
dieses Hauses sich in Warchaim aufhält?«
»Ja. Das ist die volle Wahrheit.« Rodraeg verwendete absichtlich
einen juristischen Begriff, um anzudeuten, dass er in diesen Dingen ein wenig
bewandert war.
»Na schön. Unert, Giffen â ihr beide bleibt hier und sichert das
Haus von auÃen. Einer vorne, der andere hinten. Sobald jemand auftaucht, der
das Haus betritt â verständigt uns, verstanden? Kein Zugriff ohne weiteren
Befehl! Es könnten bis zu drei weitere Personen sein, Gefährlichkeit unbekannt!«
»Verstanden, Leutnant Adsar!«, versteiften sich Unert und Giffen im
Gleichklang.
Leutnant Adsar zückte ein Notizpergament und einen sehr gut
angespitzten Kohlestift aus der Hauptstadt. »Jetzt bitte eure vollen Namen.
Auch die der beiden Fehlenden.«
Die Namen wurden von ihren Trägern genannt. Rodraeg Delbane. Naenn.
Estéron. Cajin Cajumery. Rodraeg nannte auch noch Eljazokad und Bestar Meckin.
Er kam sich dabei wie ein Denunziant vor, wusste jedoch, dass Wahrheit die
einzige Möglichkeit war, weitere Scherereien zu vermeiden. Zumal das Mammut sich in dieser Nacht wirklich nichts hatte
zuschulden kommen lassen.
Leutnant Adsar notierte und nickte dann. »Gut. Wir bringen euch nun
zu einer Gegenüberstellung. Hauptfrau Durbas wird dort sein. Sie leitet die
Untersuchung. Es ist nicht weit von hier. Wenn ich also bitten dürfte.« Er
öffnete die Tür, und die vier Schafe wurden, von nun drei Hütehunden flankiert,
nach drauÃen in die Nacht getrieben. Die Gardisten Unert und Giffen blieben
zurück; Giffen drückte sich vor dem Haus in die Schatten des von-Heydenâschen
Hinterhoftores, Unert schlich sich am Haus der Familie Stahlert vorbei zur
Rückseite des kleinen Mammut -Geländes.
Die Nacht schien ungewöhnlich frostig zu sein. Die Morgendämmerung
konnte nicht mehr weit entfernt sein, und die Stunden direkt davor waren immer
die kältesten.
Naenn hörte gar nicht mehr auf zu zittern, sodass Rodraeg
schlieÃlich seinen Arm um sie legte, um sie zu wärmen und zu beruhigen. Sie
hatte auch Schwierigkeiten mit dem Gehen, sodass er sie auch stützen musste.
Cajin half auf ihrer anderen Seite. Estéron wiederum wurde, nachdem er seine
Blindheit offenbart hatte, von einem der Gardisten geführt.
»Was hat das zu bedeuten, Rodraeg?«, bibberte Naenn. »Was ist nur
passiert?«
»Ich habe nicht die leiseste Ahnung. Aber wir werden es bald
erfahren.«
Die Gardisten führten sie von sämtlichen StraÃen weg, zwischen den
Häusern der gegenüberliegenden StraÃenseite hindurch in südwestlicher Richtung,
bis sie die die Adelsbezirkmauer umgebenden Busch- und Baumbepflanzungen
erreichten. Durch diese marschierten sie quer hindurch, bis sie den kalt
aufragenden Schatten der Adelsmauer erreichten und dieser folgten, um die
Nordostecke mit ihrem Wachturm herum und weiter nach Süden, bis hin zur groÃen
östlichen Eingangsdurchfahrt. Die meiste Zeit über bewegten sie sich abseits
der gängigen Gassen und Pfade â
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