Der Mann, der nicht geboren wurde
einen
Fieberspuk halten, wenn ich das rote Kaninchen und den Blauhaarigen nicht mit
eigenen Augen gesehen hätte. Und wenn ich nicht Lesen gelernt hätte in der
anderen Welt, weil wir uns â für unser Gefühl â drei Wochen lang dort
aufgehalten haben. Man kann ja wohl schlecht lesen lernen, während man vier
oder fünf Tage angeschnallt in einer Erdgrube liegt. Hier sind Eljazokads
Aufzeichnungen aus der anderen Welt. Da steht vieles drin, was ich und Tjarka
gar nicht mitbekommen haben. Und hier sind noch ein paar Anmerkungen von ihm,
die er besonders wichtig fand. Jedenfalls, was unseren Auftrag angeht, muss ich
leider sagen, dass die Kaninchen des Thostwaldes schon alle tot waren, als wir
dort eintrafen, dass es aber vielleicht dank des roten Kaninchens und einiger
Hauskaninchen aus Anfest Hoffnung für so eine Art ⦠Neubesiedlung gibt.«
Bestar übergab Rodraeg einen beeindruckenden Packen von
unterschiedlich geformten, mit winziger Schrift vollgekritzelten Papieren sowie
noch eine einzelne kurze Handschrift. Rodraeg wollte sie erst, wie er es von
Auftragsbriefen gewöhnt war, laut vorlesen, doch dann stockte ihm schon beim
ersten Satz der Atem. Er überflog deshalb leise:
Â
Naenn wurde womöglich Gewalt angetan,
als das Kind gezeugt wurde
Carmaron Siusan ist in Warchaim und arbeitet
mit drei Männern zusammen
Udin Ganija lebt und ist in unserer Welt
nach Norden aufgebrochen und will nun auch Magier töten (Galin von Asteria?)
achtet auf: Cruath Airoc Arevaun,
Affenmenschen, drei silberäugige Tsekoh
(ein Knabe, ein Mann, eine sehr schöne Frau) â dies sind die Feinde der Zukunft
ich habe einen Verrat begangen: ich gab den
Schlüssel zur Höhle des Alten Königs an die Dreimagier, aber ich erkaufte damit
das Wissen um die brennende Brücke
DMDNGW könnte Folgendes bedeuten:
Dämmerung Mondlicht Dasco Naenn Geburt Wolfsschmetterling
Â
Rodraeg tat so, als wäre nichts
Besonderes, obwohl ihm schwante, dass gerade Naenn ihm ansehen konnte, dass ihm
eben kurz die Luft weggeblieben war.
»Das sind weitere ⦠Hinweise auf den
Siusan, auf den wir hier in Warchaim gestoÃen sind, und auf Udin Ganijas
weitere Vorhaben. Wenn er nicht erst ⦠ach, vergesst es. Wir sollten mit den
Dreimagiern Kontakt aufnehmen. Jetzt, wo Bestar wieder da ist, haben wir
endlich einen zusätzlichen Mann, um wieder in Aktion treten zu können.« Rodraeg
betrachtete Tjarka, die sich auf ihren Teller konzentrierte, um niemanden
ansehen zu müssen. Ihre als Trotz getarnte Schüchternheit nahm ihn für sie ein.
Sie war nicht besonders hübsch und hatte beschlossen, in einer Welt, in der,
abgesehen von einer Königin und einer Hauptfrau, die sich hochgearbeitet hatte,
meistens Männer das Sagen hatten, das Leben eines Jungen zu führen. »Weshalb
bist du mit nach Warchaim gekommen?«, fragte er sie. Sein Tonfall hatte nichts
Verhörerisches, klang eher aufmunternd.
Tjarka druckste herum. »Wir konnten ihre Dienste nicht bezahlen«,
sprang Bestar für sie ein. »Also hatten wir die Idee, sie kommt mit und bekommt
hier ihr Geld. AuÃerdem ⦠ist ihr ja auch passiert, was eigentlich nur uns
hätte passieren sollen ⦠die Gefangenschaft und so ⦠und deshalb dachte ich,
sie hätte sich eine kleine Entschädigung verdient. Wenn so was möglich ist.«
»Ich will keine Entschädigung«, widersprach Tjarka mit leiser
Stimme. »Bestar will das nicht kapieren. Ihr habt mir geholfen, die Kerle
fertigzumachen, die meinen Thost und meinen besten Freund ins Verderben
gestürzt haben. Der Thost ist nun krank. Mein Freund hat sich aufgehängt. Ich
wollte weg von dort. Die Leute sind sowieso alle blöd. Ich will ⦠bei euch
mitmachen, wenn das geht.«
Rodraeg lächelte, Estéron ebenfalls. »Und das, nachdem du auf
schmerzhafteste Weise erfahren musstest, worauf du dich da einlässt?«
»Ja. Ich habe ja ⦠nicht nur Schmerzen gehabt. Es ging ja alles gut
aus. Alleine hätte ich mich auch an die Verfolgung dieser Schweine gemacht,
aber dann wäre ich nie wieder da rausgekommen. Eljazokad hat uns irgendwie in
dieses bunte Land geholt. Meistens vergesse ich meine Träume wieder. An den
kann ich mich aber noch gut erinnern.«
Rodraeg vermutete, dass Eljazokad nicht ganz unschuldig war daran,
dass ein junges Mädchen sich entschloss, dem Mammut
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