Der Mann, der nicht geboren wurde
aber auch mit hundert Tagen Zeit wahrscheinlich
nicht möglich gewesen. Es blieb nur das Einigeln und Abwarten, was der Sturm
als Nächstes mit sich brachte.
So verstrich der 21. Blättermond, und nichts
Bedeutsames ereignete sich.
Am 22. Blättermond wurde im Thostwald Eljazokad von dem
Heimlichgeher Raukar und dem nun namenlosen ehemaligen Bienenmagier
überwältigt, seiner rechten Hand beraubt und in einen blinden Brunnenschacht
geworfen. AnschlieÃend versagte er sich selbst das Weiterleben, um nicht als
Druckmittel gegen das Mammut eingesetzt werden zu
können. In Warchaim, gute zehn Tagesreisen entfernt, ahnte niemand etwas von
diesen Vorgängen. Naenn wäre vielleicht zu etwas derartig Weitreichendem in der
Lage gewesen, aber sie stand in diesen Tagen voll und ganz unter dem Einfluss
ihrer Mutterwerdung.
Am 23. Blättermond vollendete sich ihr
Schwangerschaftszyklus. Sie hatte am 23. Taumond empfangen, und nun
waren die für Schmetterlingsfrauen üblichen sieben Monde vorüber. Doch noch
immer kündigten sich bei ihr keine Wehen an, und sie lag fast den ganzen Tag
schweiÃglänzend in ihrem Bett.
Dafür brachte dieser Tag die erste für das Mammut erfreuliche Entwicklung seit Langem. In der dritten Stunde nach dem
Mittag legte am Hafen ein Boot namens Die Greif an,
und ihm entstiegen ein groÃer Mann und ein junges Mädchen. Kaum zehn
Sandstriche später standen die beiden, ohne vorher angeklopft zu haben, im Flur
des Mammuthauses , und der groÃe Mann sagte: »Was ist
das bloà für ein lahmer Haushalt? Keine Girlande, keine Musik, nichts zu Essen
auf dem Tisch. Man könnte meinen, der Haushälter ist noch ein unreifer Bengel,
aber das kann doch wohl nicht sein?«
Cajin kam aus der Küche gestürmt und umarmte Bestar, dass selbst dem
kräftigen Klippenwälder kurz die Luft wegblieb. Bestar verwuschelte dem Jungen
lachend das Haar, dann hielt er inne, denn aus dem groÃen Zimmer trat Rodraeg.
Bestars Augen füllten sich mit Tränen. »Du bist wieder gesund«,
brachte er nur hervor.
»Mein Freund«, sagte Rodraeg. »Mein lieber, guter Freund.« Auch sie
nahmen sich in die Arme und drückten sich fest und lange. Erst danach wurde es
etwas förmlicher, denn vieles musste erläutert werden. Rodraeg stellte Bestar
den blinden Schmetterlingsmann Estéron vor und dem blinden Schmetterlingsmann
das klippenwälder Mammut mitglied Bestar Meckin.
Bestar seinerseits stellte seine hinter ihm fast unsichtbare Begleiterin Tjarka
Winnfess vor, ein mageres, strubbelköpfiges Mädchen in Cajins Alter, das seine
Verlegenheit durch einen unerbittlichen und möglichst desinteressierten
Gesichtsausdruck zu überspielen versuchte.
»Ohne Tjarka hätte ich wahrscheinlich heute noch nicht aus dem Thost
herausgefunden«, erklärte Bestar. »Sie war das ganze Abenteuer über mit uns
zusammen und hat uns als Waldführerin tüchtig geholfen.«
»Ich freue mich sehr«, sagte Rodraeg und ergriff die nur zögerliche
Hand des Mädchens, das offensichtlich an städtische Umgangsformen nicht gewöhnt
war. »Aber wo ist Eljazokad abgeblieben?«
»Wir mussten ihn leider im Thost zurücklassen. Er war zu schwer
verwundet, konnte nicht richtig laufen und wird nachkommen. Ich erzähle euch
gleich alles â aber wo ist Naenn? Sind wir noch â rechtzeitig gekommen?«
»Ziemlich auf den Tag genau«, lächelte Estéron. »Sie ist oben und
wartet auf die Wehen. Es müsste jede Stunde so weit sein.«
»Senchak sei Dank«, ächzte Bestar. »Mann, ich bin hungrig wie ein
Wolf. Auf dem Rückweg ist uns das Geld ausgegangen. Der Kapitän der Greif hat diesem Namen alle Ehre gemacht und versucht, uns
übers Ohr zu hauen. Ich konnte ihn ja schlecht über Bord werfen, schlieÃlich
brauchten wir seine Dienste.«
»Ich mache uns allen etwas zu essen«, rief Cajin, der bereits in die
Küche geeilt war.
»Ich bin froh, dass du dem Kapitän gegeben hast, was er gefordert
hat«, lobte Rodraeg. »Wir warten schon händeringend auf euch, seit einer Woche
fast.«
»Ja, wir sind aufgehalten worden.« Bestar setzte sich im
Versammlungszimmer neben Tjarka an den Tisch. Bis Cajin mit dem Essen fertig
war, lief Rodraeg nach oben zu Naenn und verkündete ihr, dass immerhin Bestar
zurückgekehrt war und sogar noch jemanden mitgebracht hatte,
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