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Der Mann, der nicht geboren wurde

Der Mann, der nicht geboren wurde

Titel: Der Mann, der nicht geboren wurde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tobias O. Meißner
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wenn sie ihr Glaubensgelübde ablegen.«
    Â»Du meinst, Hebezie heißt in Wirklichkeit ganz anders?«
    Â»Ja.«
    Â»Und wir können nicht erfahren, wie sie wirklich heißt?«
    Â»Vielleicht erzählt sie es, wenn man sie fragt. Warum beunruhigt
dich das so?«
    Â»Weil alles so … heimlich ist. Abkürzungen. Falsche Namen. Tote,
ohne dass vorher gekämpft wurde. Das behagt mir alles überhaupt nicht. In den
Klippenwäldern ist das Leben … ganz anders. Deutlicher.«
    Â»Bestar, wenn dir das alles zu viel und zu unangenehm wird, sprich
einfach mit mir. Friss es nicht in dich hinein, bis du eines Tages auf mich
schießen musst wie Hellas.«
    Â»Ich würde niemals auf dich schießen! Ich kann überhaupt nicht
schießen! Aber ich würde dir auch sonst nie etwas antun! Ich werde dem Mammut beistehen, bis es das Mammut nicht
mehr gibt!«
    Â»Was, wenn es nach DMDNGW geht, nur noch
sechs Tage sind.«
    Â»Das ist doch alles Quatsch! An uns wird dieser Meuchler sich die
Zähne ausbeißen. Da gebe ich dir mein Wort drauf!«
    Â»Ja. Auch ich hege die Hoffnung, dass er sich in seinem feinen, mit
schwarzen Nadeln gestrickten Netz noch selbst verfangen wird.«
    Nach hundert weiteren Schritten fragte Rodraeg: »Und du hast
wirklich Lesen gelernt in dieser dreifarbigen Welt?«
    Bestar nickte stolz. »Schreiben auch ein wenig. Meinen Namen und so
einfache Sachen. Ein Mädchen namens Aube hat mir das beigebracht. Ich kann mich
noch genau an sie erinnern. Das war nie und nimmer nur ein Traum.«
    Â»Was ihr da herausgefunden habt, mit dieser anderen Welt und den
Menschen und Lebewesen dort …, das klingt alles dermaßen bedeutsam – ich hoffe,
wir werden eines Tages Gelegenheit haben, das alles richtig zu erforschen und
unser Wissen dem ahnungslosen Kontinent zu vermitteln. Vermittler.« Rodraeg
schaute in den graublauen Himmel hinauf. »Das ist das, was wir, was Naenn von
Anfang an sein sollte. Vermittler zwischen den Göttern und dem Kontinent, der
Welt und den Menschen. Dem Richtigen und dem Falschen. Der Wahrheit und den
zahllos vielen Lügen und Heimlichkeiten.«
    Sie erreichten das Haus der
Dreimagier und fanden es sehr viel verwitterter vor, als Rodraeg es in
Erinnerung hatte. Es sah beinahe zerfallen aus. Mit abergläubischer Vorsicht
tasteten sie sich heran.
    Tatsächlich war das Haus in
baufälligem Zustand. Das Dach war teilweise eingestürzt, die Fenster blind und
zerschlagen. Putz platzte von den Mauern wie schwammgefüllte Eiterbeulen. Durch
die morsche und nur noch halb vorhandene Tür konnten sie das Innere betreten.
Nichts als Schutt und geborstene Wände.
    Â»Das verstehe ich nicht«, dachte Rodraeg laut. »Das sieht alles aus
wie vom Alter zerstört. Fast wie die Ruine des Alten Tempels. Aber ich war doch
erst kurz vor dem Auftrag mit den Walen hier, und da war noch alles bestens in
Schuss.«
    Â»Gebrannt hat es auch nicht«, sagte Bestar, der mit der Hand an
einer fleckigen und gesprungenen Innenwand entlangstrich. »Das ist einfach nur
kaputtgegangen, weil es seit Jahrzehnten verlassen ist.«
    Â»Das ist natürlich eine Lüge«, sagte plötzlich eine jugendliche
Stimme. »Eine Schutzmaßnahme in Zeiten der Verfolgung.« Aus einem Winkel, in
den zwei zerbrochene Dachbalken wie umgestürzte Bäume hinunterragten, trat ein
Junge, zwölf, höchstens dreizehn Jahre alt. Er war schlank und dunkelblond, hatte
schöne, klare Augen und sehr feine Gesichtszüge. Auf nicht näher bestimmbare
Weise ähnelte er Naenn.
    Ein Schmetterlingsjunge? Rodraeg erinnerte
sich vage daran, dass Naenn bei ihrem damaligen Spaziergang einen
Schmetterlingsjungen in der Nähe dieses Hauses zu sehen geglaubt hatte, und
niemand außer ihr hatte diese Wahrnehmung bestätigen können.
    Der Knabe trat neben sie und schaute durch ein zersprungenes Fenster
nach draußen. »Ihr seid das Tier mit dem Rüssel, nicht wahr? Außer euch würde
niemand hierherkommen in diesen Wochen.«
    Â»Wir sind ein Teil des Mammuts , nicht das
ganze. Ich bin Rodraeg Delbane, das ist Bestar Meckin.«
    Â»Namen. Namen bedeuten gar nichts. In jeder Sprache sind sie anders,
und verliehen schon, bevor man den Wert eines Wesens kennt. Auch ich habe
keinen Namen. Ich bin nur ein Stellvertreter, eine Botschaft. Die Botschaft
lautet: Wir sind nicht hier. Wir danken euch für den
Schlüssel

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