Der Mann der nicht zu hängen war

in Hongkong seiner Ex-Frau übergeben soll. Somwang würde jetzt dem Mädchen den Sitzgurt anlegen, und das Kind würde seine Nase gegen die Scheibe drücken, um vielleicht doch noch etwas von seinem Vater zu erspähen. Aber der Vater denkt nicht mehr an sie. Die Maschine müßte jetzt auf die Piste rollen, abheben und aufsteigen. Und wenn der Leutnant nun zu seinem Auto auf dem Parkplatz kommt, wird das Flugzeug nur noch ein kleiner Punkt am Himmel sein. Die Passagiere werden ihre Sitzgurte lösen und sich eine Zigarette anzünden. Die Stewardessen werden kalte Getränke anbieten, und wenn das kleine Mädchen den Flugplatz nicht mehr sieht, wird es auch nicht mehr aus dem Fenster schauen und bestimmt mit seiner Puppe spielen. Somchai stößt einen Seufzer der Erleichterung aus.
    Am Parkplatz angekommen, sieht er noch einmal teilnahmslos zum Flugplatz zurück — und erstarrt. Verdammt noch mal! Die Convair 880 der Cathay Pacific Airways steht immer noch auf ihrem Platz! Was mag da bloß los sein? Die Türen sind geschlossen, die Triebwerke laufen — aber die Gangway ist noch da. Ob man etwas entdeckt hat? Aber das ist unmöglich, völlig unmöglich!
    Vom Parkplatz aus kann er nicht sehen, was am Fuße der Maschine vor sich geht. Doch dann, endlich: Die Gangway wird weggezogen, die Convair rollt langsam zur Startbahn, erbebt im Getöse der Triebwerke und hebt ab.
    Somchai lehnt an seinem Wagen. Nicht lange, dann schlägt sein Puls wieder ganz normal. Er öffnet die Tür, schaltet das Radio an und fährt langsam los.
    Auf der Hochebene von Vietnam, fünfzehn Flugminuten entfernt vom Chinesischen Meer, findet man am selben Abend die Trümmer einer Convair und die Leichen der Passagiere. Kilometerweit verstreut. Vietnamesische Soldaten schließen einen Sicherheitsgürtel um das Absturzgebiet. Die ersten Gutachter treffen mit Hubschraubern ein.
    Leutnant Somchai hat den Abend in der Stadt verbracht. Erst jetzt, da er nach Hause fährt, hört er die schreckliche Nachricht im Radio. Wirklich eine schreckliche Nachricht — auch für Somchai! Die Maschine hätte nämlich eine Viertelstunde später explodieren sollen, über dem Chinesischen Meer. Dann hätte man nichts, absolut nichts gefunden. Verdammt! Und das alles wegen der Verspätung beim Start. Was ist da bloß schiefgelaufen?
    Gegen 10 Uhr abends zieht der Leutnant vor seiner Wohnung den Schlüssel aus der Tasche — will gerade aufsperren. Doch irgend etwas kommt ihm merkwürdig vor. Er hört Geräusche. Da drinnen ist jemand: kurze, schnelle Schritte — die Tür geht auf und seine Tochter stürzt ihm entgegen, umarmt ihn freudestrahlend. Die schöne Somwang steht immer noch unter einem leichten Schock. Sie kann es einfach nicht fassen:
    »Was für ein Glück! Was für ein unglaubliches Glück! Es ist ein Wunder! Ein wahres Wunder! Als wir im Flugzeug waren, hat sich die Kleine überhaupt nicht beruhigen können. Im Gegenteil, sie fing erst recht an zu weinen und zu schreien. Sie brüllte wie am Spieß. Und auf einmal fing sie an zu zittern, bekam fürchterliche Krämpfe, verdrehte die Augen und fiel zu Boden. Ganz steif. Sie hatte Schaum vor dem Mund. Es war furchtbar. Wir wußten überhaupt nicht mehr, was wir tun sollten.«
    Leutnant Somchai sieht seine Tochter an — voller Haß, die Zähne zusammengebissen. Er hat verstanden. Natürlich hat er verstanden: »Epilepsie! Sie hatte einen epileptischen Anfall. Wieder einmal. Es ist nicht das erste Mal!«
    »Ja, das hat der Flughafenarzt auch gesagt, als wir ausgestiegen waren. Denn, nicht wahr, so konnten wir doch nicht mitfliegen, oder? Also sind wir ausgestiegen. Und das hat uns das Leben gerettet. Ich habe sie dann allmählich beruhigen können. Jetzt geht es ihr wieder ganz gut. Nur eines tut mir leid, aber ich denke, das ist wohl nicht so schlimm. Ich habe in der ganzen Aufregung ihre Puppe und den Schminkkoffer im Flugzeug vergessen.«
    Am nächsten Tag kommen die Spezialisten aus Hongkong und die amerikanischen Sachverständigen zur Absturzstelle. Drei Hypothesen werden aufgestellt: Entweder kam es durch einen Zusammenstoß mit einem Militärflugzeug zu der Katastrophe. Oder die Maschine wurde durch eine nordvietnamesische Rakete zerstört — in der Annahme, es handle sich um einen amerikanischen Bomber. Oder aber sie wurde durch eine Explosion an Bord der Convair zum Absturz gebracht. Die thailändischen Behörden halten diese letzte Hypothese für die wahrscheinlichste.
    Leutnant Somchai, der eine