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Der Mann der nicht zu hängen war

Der Mann der nicht zu hängen war

Titel: Der Mann der nicht zu hängen war Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pierre Bellemare
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unbekannt.«
    »Was sagen Sie da?«
    »Sehen Sie selbst. Hier ist die Kopie der Geburtsurkunde.«
    Somerset Cartwright stockt der Atem. Ganz langsam liest er. daß am 3. April 1904 in London eine kleine Cecilia geboren wurde. Heute, im Jahre 1960, ist sie also auch schon 56 Jahre alt. Seine Tochter ist 56 Jahre alt! Er hat eine Tochter! Er, Somerset Cartwright. der seit seiner Jugend niemanden mehr hatte, den er liebhaben konnte, ist Vater einer 56jährigen, unbekannten Frau. Denn darüber gibt es für ihn gar keinen Zweifel: Er ist der Vater. »Sie« haben es ihm nur verheimlicht. Ollie hatte es gewußt, ganz bestimmt. Deswegen war sie auch so scharf auf seine Erbschaft gewesen.
    »Herr Notar, ich will diese Angelegenheit so schnell wie nur möglich regeln. Wo lebt diese Cecilia Martens überhaupt?«
    »In Belgien. Sie ist ledig und arbeitet als Krankenschwester.«
    »Lassen Sie sie hierher kommen. Ich werde eine Vaterschaftserklärung abgeben. Ich will, daß sie alles von mir erbt!«
    »Herr Cartwright, das dürfte nach so langer Zeit recht problematisch werden: Vater unbekannt, Mutter tot. Es könnte sehr lange dauern...«
    »Warum denn? Ich kann sie auch adoptieren zum Beispiel.«
    »Tja, wissen Sie — die Verwaltung! Bevor eine solche Sache rechtskräftig ist, wird es — wenn sie überhaupt durchzusetzen ist — bestimmt ein Jahr dauern, vielleicht sogar länger.«
    »Das ist lächerlich! Dann setze ich eben sofort ein Testament auf zu ihren Gunsten!«
    »Auch das möchte ich Ihnen nicht unbedingt raten. Sie müssen wissen: Vor dem Gesetz ist diese Frau eine Fremde für Sie. Die Erbschaftssteuer wird so hoch sein, daß sie wahrscheinlich alles verkaufen müßte, um sie überhaupt zahlen zu können. Und ihr bliebe kaum etwas übrig.«
    Somerset denkt scharf nach. Dann plötzlich erklärt er mit fester Stimme: »Ich habe keine Zeit mehr. Ein Jahr, auch nur ein halbes Jahr halte ich wahrscheinlich nicht mehr durch. Mein Arzt hat es mir vor kurzem ganz offen und unmißverständlich eröffnet. Aber ich habe eine Idee! Nehmen Sie sofort Kontakt auf mit ihr. Ich will sie in dieser Woche noch hier sehen, noch in dieser Woche!«
    »Wenn Sie glauben, Sie könnten vielleicht eine Schenkung zu ihren Gunsten machen, da muß ich Sie leider auch enttäuschen. Das Gesetz...«
    »Ich pfeife auf das Gesetz! Das heißt, ich pfeife nicht nur darauf, ich werde es sogar nützen. Ausnützen. Verstehen Sie? Sie sagen, daß diese Frau für mich vor dem Gesetz eine Fremde ist, ja?«
    »Im Augenblick schon.«
    »Ausgezeichnet. Dann gibt es überhaupt kein Problem: Ich werde sie heiraten!«
    »Wie bitte? Habe ich Sie richtig verstanden? Sie wollen Ihre Tochter heiraten? Aber... aber das ist, das ist doch...«
    »Das ist — was? Unmoralisch vielleicht? Daß ich nicht lache! Es ist ein Mittel, lediglich ein Weg. Der einzige legale Weg! Meine Familie hat verhindert, daß ich ihre Mutter heirate, nun werden sie alle im Jenseits oben ihren Spaß dran haben, wenn ich die Tochter zum Altar führe! Ich will, daß sie alles bekommt. Hören Sie: alles! Bis zu der letzten Perle meiner ehrwürdigen Mutter, bis zu der letzten versteckten Rose im Park des Schlosses. Herr Notar, Sie haben mich verstanden? Ich spaße nicht. Machen Sie schnell. Mir bleibt zwar nicht mehr viel Zeit, aber Zeit genug für das Aufgebot!«
    »Und wenn sie sich weigert? Immerhin sind Sie ihr Vater.«
    »Wenn ich ihr die ganze Wahrheit erzähle, dann wird sie bestimmt verstehen, ich hoffe es wenigstens.«
    Und so heiratete Somerset Cartwright 1961 seine uneheliche Tochter Cecilia Martens. Das Gesetz hatte nichts dagegen einzuwenden. Somerset hatte es gerade noch rechtzeitig geschafft, der Vergangenheit ein Schnippchen zu schlagen. Er starb zwei Monate später. Cecilia Cartwright, eine kleine, mollige, schwarzhaarige Frau Mitte fünfzig, hatte bis 1961 ein paar Pfund im Monat verdient — als Krankenschwester. Dann wurde sie Schloßherrin — reich und von allen geachtet. Wir freuen uns mit ihr.
     

Kommst du, Papa?
     
    15. Juni 1972. Bangkok — Flughafen. Inmitten der vielen Flugzeuge eine weiß-blaue Convair 880 — eine Düsenmaschine der Cathay Pacific Airways mit Sitz in Hongkong. Sie wird gerade aufgetankt. Die Überprüfung durch die Techniker ist beendet. Die Putzkolonne kommt die Rolltreppe herunter. Ein Angestellter der Fluglinie füllt die Getränkevorräte auf. Alles ist in Ordnung. Hübsche Stewardessen steigen die glutheiße Treppe hinauf. Der Kapitän geht mit

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