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Der Mann der nicht zu hängen war

Der Mann der nicht zu hängen war

Titel: Der Mann der nicht zu hängen war Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pierre Bellemare
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äußerst unruhige Nacht verbracht hat — und einen ebensolchen Morgen —, hat jedoch noch eine Hoffnung. Er hat eine Chance, unentdeckt zu bleiben, wenn niemand herausfindet, daß er eine Lebensversicherung auf seine Tochter und eine auf Somwang abgeschlossen hat.
    Doch die Mediziner finden Splitter eines Sprengkörpers in einigen Leichen. Und danach können die Sachverständigen ziemlich genau bestimmen, wo die Explosion stattgefunden haben muß: im Innern der Maschine links über der Tragfläche — etwa oberhalb der Plätze A 10 und B 10. Und anhand der Passagierliste stellt man fest, daß diese Plätze von einer Frau namens Somwang und einem Kind, der Tochter des Polizisten Somchai aus Bangkok, belegt worden waren. Es war reiner Zufall oder auch Schicksal, daß das kleine Mädchen in der Maschine einen epileptischen Anfall erlitt und mit ihrer Begleiterin unmittelbar vor dem Start aussteigen mußte.
    Als diese Nachrichten in den Medien verbreitet werden, trägt Leutnant Somchai bereits Handschellen. »Das ist absurd!« schreit er. »Welcher Mann würde seine eigene Tochter umbringen?«
    Doch in der Beweisaufnahme kommt alles an den Tag: Die junge Bardame, der er vorgeschlagen hatte, seine Tochter nach Hongkong zu bringen, erkennt ihn. Der Mechaniker, der ihm den Plan der Convair ausgehändigt hat, erkennt ihn. Der Fischer, von dem er den Sprengstoff hat, erkennt ihn. Und der Händler, der ihm den Schminkkoffer verkauft hat, erkennt ihn ebenfalls. Ja, und dann — gibt es da noch die Policen der Lebensversicherungen, die er auf seine Tochter und Somwang abgeschlossen hat und die aus ihm einen reichen Mann gemacht hätten.
    In Thailand wird die Todesstrafe durch Erschießen verhängt. Doch die buddhistische Religion verbietet es, auf einen Menschen zu zielen. Leutnant Somchai wurde also in ein kleines Leinenzelt geführt. Auf die Leinwand malte man in Höhe des Herzens ein Kreuz. Die fünf Kugeln trafen.
     

Rundfunk im Kopf
     
    28. Februar 1937 — 20 Uhr: Léon Bouvreuil fragt sich zum ersten Mal, ob er nicht drauf und dran ist, völlig verrückt zu werden.
    Noch sitzt ergänz friedlich mit seiner Frau beim Abendessen— und wie jeden Tag hören sie dabei zusammen Radio. Sie wohnen im 15. Arrondissement in Paris. So weit läuft alles ganz normal. Nichts Ungewöhnliches. Seit zehn Minuten hören sie beide mit fast religiöser Hingabe eine Sendung mit Tino Rossi. Plötzlich beginnt ein seltsames Gespräch zwischen Monsieur und Madame Bouvreuil. Madame Bouvreuil schaut auf einmal den Radioapparat an und ärgert sich: »Muß das sein! Gerade jetzt!«
    Léon Bouvreuil blickt erstaunt auf seine Frau: »Was ist denn los?«
    »Na hörst du schlecht? Der Apparat läuft nicht mehr!«
    »Also, ich glaube, du wirst langsam taub.«
    »Jetzt spinnst du aber ganz schön! Du mußt doch hören, daß man nichts mehr hört!«
    »Tut mir leid, das Radio spielt ganz normal.«
    »Was du nicht sagst! Dann muß du wohl das achte Weltwunder sein!«
    Im Laufe weniger Minuten entwickelt sich die Diskussion zu einem handfesten Ehekrach! Wutentbrannt stürzt sich schließlich Madame Bouvreuil auf das Radio und schaltet es ab: »Na, was sagst du nun? Hörst du vielleicht immer noch was?«
    In diesem Augenblick beginnt eine unvorstellbare Geschichte. Monsieur Bouvreuil starrt seine Frau ungläubig an, dann den Apparat: »Du — es ist... es ist wirklich komisch... es ist kein Witz, aber ich höre das Programm ganz deutlich!«
    Daraufhin entschwindet die sonst eher ruhige Ehefrau grollend ins Schlafzimmer. Ihr Mann sitzt erstarrt vor seiner mittlerweile kalten Suppe. Er muß verrückt sein, ganz plötzlich verrückt geworden sein.
    Eine Stunde später kommt seine Frau ins Wohnzimmer zurück. Ganz ruhig betrachtet sie ihren »versteinerten« Mann — und bekommt es langsam selbst mit der Angst zu tun. Denn jetzt ist es offensichtlich: Er macht sich nicht lustig über sie! Es geschieht hier und jetzt tatsächlich etwas Unvorstellbares!
    Monsieur Bouvreuil, 38 Jahre alt, körperlich und seelisch gesund, ist Opfer eines unerklärlichen Phänomens: Er hört das Radioprogramm in seinem Kopf, nicht mit seinen Ohren. Und um seine Frau davon zu überzeugen, wiederholt er Wort für Wort die Nachrichten, dann den Wetterbericht, die Börseninformationen, die Programmansage, und als Tino Rossi »Marinella« singt, trällert Monsieur Bouvreuil mit — im Duett mit dem Star sozusagen!
    Um zwei Uhr morgens endet das Programm mit der Marseillaise, der

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