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Der Mann der nicht zu hängen war

Der Mann der nicht zu hängen war

Titel: Der Mann der nicht zu hängen war Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pierre Bellemare
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nun schon über fünf Jahre her, daß er sein kleines Haus in Richmond, in der Nähe von London, verlassen hat. Damals, gleich zu Beginn des Zweiten Weltkrieges, war er als Oberst der Royal Air Force zu den amerikanischen Einheiten im Pazifik abkommandiert worden — fünf lange Jahre in Fernost. Erst vor einigen Tagen zerstörte eine einzige Bombe eine ganze Stadt: Hiroshima. Der Krieg ist zu Ende. Und Sir James Primrose — in Manila stationiert — verabschiedet sich bei einer Cocktailparty, bevor er nach England zurückkehrt. Mit einem Glas Champagner in der Hand — zur Feier des historischen Ereignisses — unterhält er sich gerade mit einigen Freunden von der U. S. Air Force. Auf einmal hört er ganz deutlich, wie hinter ihm etwas erzählt wird, das ihm die Sprache verschlägt:
    »Sie kennen doch Sir James Primrose, ja? Nun, ich glaube, er ist gestern bei einem Flugzeugabsturz ums Leben gekommen.«
    Da kann man noch so sehr Engländer sein — derartige Scherze lassen einen nicht kalt. Noch dazu, wenn der Erzähler so überzeugend, so betroffen klingt:
    »Der arme Colonel, er wohnte in Richmond.«
    Primrose, sehr gefaßt, kaum erschüttert, dreht sich auf
    dem Absatz um: Vor ihm steht Leggins, Major der Royal Air Force, einer seiner Freunde. Starr vor Schreck läßt dieser sein Glas fallen und starrt Primrose an. Sein Gesicht wird zuerst rot, dann violett, und es würde bestimmt gleich ganz blau werden, wenn der Colonel ihm nicht begütigend auf die Schulter klopfte, damit er wieder zu sich kommt —und auch um ihm zu zeigen, daß er es nicht etwa mit einem Gespenst zu tun hat.
    »Na, Leggins, beruhigen Sie sich wieder! Glauben Sie mir, so ist es viel besser, vor allem für mich.«
    Der arme Major ist jetzt kreidebleich und absolut unfähig, irgendein Wort, irgendeinen Ton herauszubringen. Dann endlich stottert er Entschuldigungen, murmelt dazwischen unverständliche Worte. Dabei scheint er völlig abwesend zu sein. Erst als Primrose ihn an den Schultern packt und zwar freundschaftlich, aber recht unsanft schüttelt, kommt er wieder langsam zu sich und vermag sogar in einem zusammenhängenden Satz zu sagen, wie leid es ihm tut:
    »Wie bin ich froh, Sie zu sehen, Sir. Mir fällt ein Stein vom Herzen!«
    Klar, daß Leggins nun von der fröhlichen Runde — und vor allem von Primrose — aufgefordert wird, sein seltsames Verhalten zu erklären. Was hat er vorhin gemeint mit diesem Flugzeugabsturz?
    »Nun, ich habe gestern nacht geträumt. Ja. Ich habe ganz klar und deutlich geträumt, wie Colonel Primrose mit einer Maschine abstürzt und dabei stirbt. Es tut mir leid, James! Es war bestimmt kein Scherz von mir vorhin. Ich war wirklich davon überzeugt. Bin ich froh, daß das Ganze nur ein böser Traum war!«
    Alle lachen über die Anekdote. Der Major bekommt ein neues Glas Champagner, aber es ist ihm deutlich anzumerken, wie verwirrt er immer noch ist. Er kann es einfach nicht glauben.
    Auch Sir James Primrose hat mit den Freunden über den seltsamen Traum gelacht. Nun aber möchte er gerne weiter feiern, schließlich soll er schon am Abend abfliegen — fliegen? Nun wird er stutzig. Wie war der Traum von Leggins überhaupt? Er sagte doch, er hätte alles ganz deutlich gesehen?
    »Leggins, erzählen Sie mir doch die Geschichte in allen Einzelheiten. Das interessiert mich. Es kommt schließlich nicht alle Tage vor, daß jemand seinen eigenen Tod erzählt bekommt.«
    Und der Major beschreibt den Absturz, wie er ihn im Traum erlebt hat:
    »Es war bei Tagesanbruch. Ein schauderhafter Schneesturm tobte über eine dunkle, felsige Küste hinweg. Das Meer stürzte über die schwarzen Felsen. Der Pilot mußte notlanden und...«
    »Was für ein Flugzeugtyp war es?«
    »Eine Dakota.«
    »Und ich war an Bord?«
    »Ja.«
    »War ich allein an Bord? War ich der Pilot?«
    »Nein, nein. Außer der Crew waren drei Menschen an Bord. Sie, eine Frau und ein Mann in Zivil. Es war ein fürchterlicher Unfall.«
    »Und niemand hat überlebt?«
    »Nein. Das Flugzeug brach sofort auseinander und fing Feuer. Ja, und dann bin ich aufgewacht.«
    Der Colonel klopft Leggins freundschaftlich auf die Schulter:
    »Schon gut, mein Lieber. Aber ein bißchen sollten Sie mich noch leben lassen. Dem Himmel sei Dank, daß ich nicht abergläubisch bin. Stellen Sie sich vor, ich fliege bereits heute abend nach Shanghai — und zwar mit einer Dakota! Aber ich bin mit der Crew allein an Bord. Und wissen Sie was, es ist mir jetzt auch lieber so. Traum hin,

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