Der Mann der nicht zu hängen war
Erläuterung des Falles — unterschreiben! Mick klopft ihm begütigend auf die Schultern: »Machen Sie schon. Das geht durchaus in Ordnung. Und dann, nach Ihnen, darf auch ich meinen berühmten Namen unter dieses historische Dokument setzen.«
Der sichtlich konsternierte Anwalt schaut seinen amüsierten Klienten an, schüttelt den Kopf und kritzelt schließlich seinen Namen auf das Dokument.
»Na endlich! Jetzt haben wir’s gleich. Darf ich auch mit meinem vollen Namen unterschreiben? Oder wäre es Ihnen lieber mit dem Daumen...« Mick amüsiert sich königlich. Er flüstert seinem Anwalt noch einige Worte ins Ohr und gibt sich dann sehr jovial: »Danke, meine Herren, vielen Dank. Sie zeigen heute wahrhaft viel Verständnis. Hätte ich gar nicht von Ihnen erwartet! Es scheint wirklich ernst zu sein mit der Bank. Also dann, an die Arbeit. Es ist schon kurz vor neun Uhr!«
Und so begann für die Bevölkerung von Oklahoma-City ein denkwürdiger Tag: Ein Polizeiwagen mit dem hochangesehenen Marschall Bennett und dem weniger geachteten Ganoven Mick Jennifer rast mit heulender Sirene durch die Straßen. Der Mann mit der unverkennbaren Anstaltskleidung sitzt fröhlich neben dem grimmig dreinblickenden Marschall und spielt mit Blaulicht und Sirene, als wäre er Herr über Blitz und Donner.
Bennett hat Mick vorgewarnt: »Beim ersten kleinsten Fluchtversuch knalle ich dich ab wie ein Kaninchen, klar?«
Mick hat Bennett ebenfalls vorgewarnt: »Beim ersten kleinsten Anzeichen bösen Willens Ihrerseits bin ich nicht mehr in der Stimmung, heute einen Safe zu knacken. Und was den Nachmittag betrifft — sollte Ihnen da irgend etwas Dummes einfallen und Sie halten sich nicht an die Vereinbarungen, dann werde ich meinen Mund aufmachen. Was glauben Sie, was das für eine Volksbelustigung wäre!«
O.k.! O.k.! Die beiden Männer kennen sich schon lange. Diesen einen Tag hier werden sie nun wohl oder übel in aller Freundschaft miteinander verbringen können. Zuerst also Shopping. Mick braucht eine ganze Menge Utensilien, und komischerweise findet er sie nicht alle im riesigen Supermarkt der Stadt, wo man alles, aber auch alles kaufen kann — von der Babyausstattung bis zum Fertighaus. Mick kauft die skurrilsten Instrumente zusammen — in verschiedenen großen und kleinen Läden: einen leuchtenden Kreisel, ein Stück Abflußrohr, einen kleinen Polizeiwagen, ein ganzes Dutzend Scheren aller Größen, einen Schlagbohrer, zwei Fahrradketten, eine Kinderkrankenschwesterbekleidung usw. Bei jedem Kauf bildet sich sofort eine neugierige Menschenmenge um den Gefangenen im Pyjama, der von drei Polizisten und dem Marschall begleitet wird. Ob vielleicht gerade ein Film gedreht wird?
»Nein, nein«, antwortet Bennett knapp. »Das hier ist ein Experiment!«
»Aha.«
Mick Jennifer, der jetzt nicht mehr so spitzbübisch lächelt, sondern seine Rolle perfekt spielt, wählt mit großem Ernst und mit viel Sorgfalt jedes »Werkzeug« aus. Und an der Kasse zahlt der Marschall widerspruchslos selbst das hüpfende Spielzeugkaninchen, das angeblich ebenfalls für die Arbeit in der Bank dringend notwendig ist. Armer Marschall! Er kocht vor Wut.
Viertel vor Zehn ist der erste Punkt Gott sei Dank erledigt. Das Shopping ist vorbei. Jetzt geht es an die eigentliche Arbeit.
Punkt zehn Uhr erscheint Mick in der Bank, wo er nur seinen Anwalt trifft. Der hat in der Zwischenzeit dafür gesorgt, daß Keller und erster Stock evakuiert wurden.
Jetzt muß er ebenfalls draußen warten — zusammen mit dem Marschall. Um 10 Uhr 54 ist der Safe offen. Mick holt alles heraus, was darin aufbewahrt ist: Bündel von Scheinen, Münzen, Goldbarren, allerlei Dokumente und Geheimakten. Er legt alles auf den Boden. Und seine >Instrumente< — also auch das hüpfende Kaninchen und das Kinderkostüm — legt er in den Safe und lacht sich halb tot dabei. Dann macht er die schwere Tür wieder zu. Er behält nur die leere Ledertasche. Ein persönliches Geschenk des Senators. Die braucht er noch. Um 11 Uhr 30 kommt Mick strahlend aus der Bank: »Auftrag erledigt!«
Der Senator fällt ihm zwar nicht um den Hals — so in aller Öffentlichkeit —, aber er zeigt sich jedenfalls dankbar:
»Und nun, Mick, wie möchten Sie Ihren freien Nachmittag verbringen? Der Marschall steht Ihnen ganz zur Verfügung. Möchten Sie vielleicht ins Kino? Oder ins Restaurant? Oder — nun ja, auch dafür hätten wir Verständnis...« gibt der Senator großzügig zu verstehen. Mick Jennifer holt
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