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Der Mann der nicht zu hängen war

Der Mann der nicht zu hängen war

Titel: Der Mann der nicht zu hängen war Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pierre Bellemare
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im Pub vor seinem ersten Bier! Also nehmen Sie es nicht so tragisch. Schließlich besteht keine Gefahr. Es dauert halt nur ein wenig.«
    »Ja, aber warum bekommt überhaupt ein Säufer einen solchen Posten! Wenn alle Welt schon weiß, daß er lieber im Pub sitzt und Bier trinkt, als hier seine Runden zu drehen?«
    »Nun, alle mögen ihn, wissen Sie. Er ist ein alter, ganz ulkiger Mann, ein Veteran, der früher bei der Marine war. Und er kann erzählen wie ein Buch! Unglaublich, was ihm schon alles in der Welt passiert ist, selbst wenn nur die Hälfte davon stimmt! Auf alle Fälle, jeder mag ihn, obwohl er selten da ist, wenn die Fahrstühle hängenbleiben!«
    »Nun ja«, ereifert sich Osborn, »vielleicht finden Sie das in Ordnung, ich jedenfalls nicht! Und wir müssen jetzt irgend etwas unternehmen, um endlich hier herauszukommen! Übrigens — was sagten Sie da eben? Streiken die Fahrstühle hier etwa öfters?«
    »Aber ja! Wir haben uns im Haus schon alle daran gewöhnt. Sie wollen unbedingt etwas unternehmen? Na gut, versuchen Sie’s. Am besten blockieren Sie den Alarmknopf mit einem Streichholz. Vielleicht kommt jemand unten vorbei und hört es. Hier, nehmen Sie dieses. Oder besser nicht! Sie zittern ja viel zu sehr! Ich mach’ das schon, ich habe ja Übung darin!«
    »Wie bitte? Sie haben auch noch Übung in der Sache! Sagen Sie mal, passiert das wirklich so oft?«
    »Ja, sicher. Ich sagte es Ihnen doch schon! Bei mir ist es jetzt das dritte Mal. Aber normalerweise dauert es nur eine halbe Stunde oder so«, erzählt Colby beruhigend. »Arbeiten Sie im Haus?« fragt Osborn, nun auch etwas ruhiger.
    »Ja. Mein Büro ist im 11. Stock.«
    »Und Sie müssen ausgerechnet am Freitagabend arbeiten?«
    »Meistens ja! Vor dem Wochenende sind oft noch einige Sachen fertigzustellen.«
    »Darf ich fragen, was Sie machen?«
    »Aber ja. Ich bin Zeichner: Kinoplakate, Posters, Werbung. Trickfilme — ja, und Karikaturen für die Wochenendausgabe. Die mache ich meistens eben schnell noch am Freitagabend, kurz vorm Umbruch.« Der Zeichner, der gerade dabei ist, mit dem Streichholz den Alarmknopf festzuklemmen, macht einen sehr sympathischen Eindruck: ein vollbärtiger, lässiger Mann, der gemütlich an seiner erloschenen Pfeife zieht. Er gehört ganz bestimmt nicht zu den Menschen, die sich das Leben unnötig schwer machen. Mit seiner ausgebeulten Cordhose, seinem offenen Hemd, seinem hängenden Blouson und dem viel zu langen Schal paßt er eigentlich nicht so recht in diese Atmosphäre hektischer Betriebsamkeit, und er ist die Ruhe selbst.
    Der andere Mann ist das genaue Gegenteil: Mit seinem maßgeschneiderten dreiteiligen Anzug, der feinen Seidenkrawatte und dem obligatorischen Aktenköfferchen, dem peinlich glatt rasierten, verschlossenen Gesicht und seiner nervösen Wichtigtuerei erscheint er wie das leibhaftige Big Business. Dazu scheint er zu jener Art Menschen zu gehören, die sich nur wohl fühlen, wenn etwas schiefläuft. Da kann man dann ein Drama draus machen — und sich als Held hervortun! »Ich hatte einen äußerst wichtigen Termin mit einem künftigen Kunden«, erzählt er gewichtig. »Wissen Sie, im Immobiliengeschäft, da kann man es sich nicht erlauben, die Dinge gemächlich auf sich zukommen zu lassen oder schnell zwischendurch zu erledigen. Schon der kleinste Fehler ist hier fatal. Und heute abend ging es fürchterlich zu auf den Straßen. Kaum regnet es ein bißchen, da fahren alle wie die Idioten. Und dann diese Polizisten! Den Verkehr wollen sie regeln? Daß ich nicht lache! Wenn es irgendwo einen Stau gibt, dann können Sie Gift drauf nehmen, daß ein Polizist in der Nähe ist! Also wirklich, das Leben in London ist unerträglich geworden! Einfach unerträglich!
    Wie weit sind Sie überhaupt? Klappt es mit dem Streichholz, oder spielen Sie nur so herum, um die Zeit totzuschlagen?«
    »Also Sie sind wirklich ein komischer Vogel«, brummt Colby gemütlich. »Meinen Sie, ich fummle hier nur aus Spaß herum? Ich hoffe, es klappt —vorausgesetzt natürlich, die Alarmanlage funktioniert noch! Wenn nicht, dann allerdings...«
    »Was heißt nun das schon wieder? Geht die etwa auch regelmäßig kaputt, wenn sie gerade gebraucht wird?«
    »Ich will es Ihnen gerne erklären, Mister...«
    »Osborn. Mike Osborn.«
    »Angenehm. Alister Colby. Also, was ich sagen wollte: Dieser Fahrstuhl hier ist ein Prototyp, ein Vertreter der Null-Generation sozusagen. Und er verspürt öfters den Drang, sein komplettes

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